Eine seltsame Situation ist das in Stuttgart, für einen, der aus Mannheim kommt. Da schwimmt die Landeshauptstadt im Geld, Großkonzerne sind hier ansässig, die Gewerbesteuern in einer Höhe zahlen, dass andere Gemeinden vor Neid erblassen. Doch die Mannheimer, eigentlich arm wie Kirchenmäuse und verschuldet wie keine andere Großstadt im Südwesten, stellen ihrer Bevölkerung, bei halb so vielen Einwohnern, 19 000 preisgünstige Sozialwohnungen bereit – beinahe 5000 mehr als Stuttgart, wo die Wohnungsnot inzwischen bei jedem zweiten Gespräch das Hauptthema ist. Wie kann das sein?
Zum einen wächst Stuttgart. Das knappe Angebot wird weiter strapaziert durch mehr Leute, die gerne in die Stadt ziehen würden. Zum anderen erhöht sich der Druck auf Mieter dadurch, dass sich die Kommunalpolitik, freundlich ausgedrückt, in den vergangenen Jahren sehr unwillig zeigte, ins Marktgeschehen einzugreifen, und den Profitinteressen großer Investoren und Immobilienunternehmen einen sozialen Gegenpol entgegenzusetzen. Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware.
Nun fällt die Förderung von solchen Dächern über dem Kopf nicht in den Beritt von Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne), sondern ins Finanzressort. Dem sitzt seit 2004 der Erste Bürgermeister Michael Föll vor, der vor kurzem überraschend seinen Wechsel ins Kultusministerium bekannt gegeben hat, wo er im kommenden März der Amtschef unter Ministerin Susanne Eisenmann (CDU) sein wird.
Verkauft, was nicht genug Reibach abwarf?
Föll empfängt in einem großzügig zugeschnitten Büro, dem zweitgrößten im Rathaus und mit schönem Blick auf den Marktplatz. Der Unionspolitiker ist im Umgang höflich und charmant, aus den Grünen, die einmal politische Gegner waren, hat er Freunde gemacht. Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Andreas Winter, Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat, betonen unisono, dass der Weggang ein Verlust für die Stadt sei. Da fällt es nicht so sehr ins Gewicht, wenn der Linke Tom Adler meint, keiner von beiden habe "wirksame Konzepte für Mieterschutz und gegen Spekulation" gehabt. Stattdessen habe Föll wie der Chef einer Privatfirma agiert und kommunales Eigentum verkauft, sobald es nicht mehr genügend Reibach abgeworfen habe.
Falsch, antwortet Föll. "Mein Augenmerk galt stets einem ordentlichen Haushalt" und sein größter Erfolg sei es, seinem Nachfolger "bei den Stadtfinanzen geordnete Verhältnisse zu übergeben". Und er habe als Erster Bürgermeister die Vision einer schuldenfreien Stadt verfolgt.
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Charlotte Rath
am 21.11.2018