"Seit dem Ende des Kalten Kriegs sind die meisten demokratischen Zusammenbrüche nicht durch Generäle und Soldaten, sondern durch gewählte Regierungen verursacht worden (...) Der demokratische Rückschritt beginnt an der Wahlurne", schreiben die beiden Harvard-Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt. Und sie präsentieren Beispiele für "Die Erosion der Demokratie, die so unmerklich geschieht, dass viele sie nicht wahrnehmen": den Aufstieg von Donald Trump natürlich, Viktor Orbán in Ungarn, Hugo Chávez in Venezuela, die Entwicklung auf den Philippinen, in Polen oder der Türkei.
Geschichtsbücher sind voll mit Analysen von Kriegen und Revolutionen, von Putschversuchen und Diktaturen. Auch Levitsky und Ziblatt schauen in "Wie Demokratien sterben" zurück, auf Deutschland in den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts oder auf Italien mit dem Durchmarsch von Benito Mussolini. Der startete mit gerade mal 35 von 535 Sitzen im Parlament. Parallelen zum Aufstieg der Alternative für Deutschland liegen auf der Hand.
Ziblatt hat sich in München über Wochen ein Bild gemacht von der "Anpassung der Rhetorik". Das könne verlockend sein – "Ich glaube, die CSU hat beschlossen, im Vorfeld der Landtagswahlen in Bayern einige der AfD-Themen aufzugreifen" –, aber gefährliche Folgen haben, weil so durch den politischen Mainstream "radikales Gedankengut Schritt für Schritt legitimiert" werde. Was zu jenen typischen "schicksalhaften Fehlern" gehört, die Autokraten schleichend an die Macht bringen. Gerade Eliten sind in der Pflicht, weil der "Teufelspakt", also falsche Bündnisse, den Anfang von Ende einläutet. Wenn beispielsweise die Verantwortlichen in demokratischen Parteien glaubten, "die Beteiligung des Außenseiters an der Regierung würde ihn einhegen und die Macht der Mainstreampolitiker wiederherstellen".
Koalitionen mit Rechtsradikalen werden kaum sanktioniert
Gegenmodelle wurden erprobt und waren sogar erfolgreich. 14 EU-Staaten, dazu Tschechien, Kanada und Norwegen sanktionierten beispielsweise die österreichische Bundesregierung, als der bürgerliche Wolfgang Schüssel (ÖVP) anno 2000 in Wien eine Koalition mit der rechtsnationalen FPÖ unter Jörg Haider einging. Längst untersucht und belegt ist in einem sogenannten Weisen-Bericht, wie diese Maßnahme wirkte. Es ist kein Ruhmesblatt für alle Mitgliedsstaaten, dass ähnliche Mechanismen nie mehr wieder ausgelöst wurden, sondern sich allzu schnell die Einschätzung durchsetzte, die Sanktionen hätten nichts gebracht.
1 Kommentar verfügbar
Rolf Steiner
am 26.09.2018