Der Rechtsruck der AfD bestehe nur in Claudia Martins Phantasie, posaunte Lothar Maier, damals noch baden-württembergischer Landeschef, im vergangenen Dezember, als die Erzieherin aus Walldorf Fraktion und Partei verließ. Inzwischen kann nicht nur die Dissidentin jede Menge Belege anführen dafür, wie richtig sie lag und liegt. Jüngstes Beispiel ist der angekündigte Ausschluss des Stuttgarter enfant terrible Heinrich Fiechtner aus der Fraktion. Laut Martin war er jedenfalls in der Zeit ihrer Zugehörigkeit der letzte in der Fraktion, der intern regelmäßig den Mund aufmachte, wenn ihm etwas nicht passte. "Jetzt hat die alte AfD-Fraktion endgültig das Zepter in der Hand."
Mit "alter AfD-Fraktion" meint die gebürtige Bautzenerin die Truppe derer, die Jörg Meuthen vor einem Jahr im Antisemitismus-Streit nicht in die Abspaltung Alternative für Baden-Württemberg folgen wollten. Aus guten Grund, wie Martin meint, denn Antisemitismus sei – "allen Beteuerungen zum Trotz" – bis heute ein "großes ungelöstes Problem". Die einen stünden dagegen nicht auf und die anderen inhaltlich ohnehin an der Seite von Wolfgang Gedeon. Zu besichtigen ist das ganz einfach im parlamentarischen Alltag: Aus den Reihen der Rechtsaußenopposition gibt es immer wieder Applaus für Gedeons Zwei-Minuten-Auftritte. Diese Redezeit steht allen fraktionslosen Abgeordneten zu jedem Debatten-Thema zu, und der Allgemeinmediziner, der in seinem Singener Wahlkreis mit 15,7 Prozent der Stimmen gewählt wurde, macht davon gern Gebrauch. Gedeon und diverse AfD-Abgeordnete gehen auch ohne erkennbare Scheu gern miteinander essen im Landtag. Schließlich ist man ja nach wie vor Parteifreund – das Ausschlussverfahren gegen den irrlichternden Amateurhistoriker verlief im Sande.
Und selbst offizielle Einladungen erreichen den 70-Jährigen, der in der Antisemitismus-Debatte immer weiter nachlegt. Zum Beispiel in einem sechs Monate alten Aufsatz unter dem Titel: "Wird die AfD eine zionistische Partei?" Das sei keine Alternative, schreibt Gedeon, und "identisch mit Merkels prozionistischer 'Staatsräson' und ein Kotau vor dem westlichen System". An der Antisemitismus-Zionismus-Frage werde "sich weisen, aus welchem Holz die AfD geschnitzt ist". Man dürfe das Kernthema "nicht unter den Teppich kehren, sondern wir müssen es, wenn wir unserer historischen Aufgabe gerecht werden wollen, als entscheidende Herausforderung unserer Politik begreifen – nicht irgendwann, sondern jetzt".
Keine Grenzen in der AfD
Erst kürzlich hatte er einen Auftritt vor der Pforzheimer AfD, als einer der "profundesten Kenner und Analytiker der Schriften der amerikanischen Strategen – von Kissinger bis Brzezinski, von Friedman bis Barnett – sowie der Putin'schen Machtpolitik", wie Kreissprecher Bernd Grimmer rühmte. Aus der SPD und vor allem von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kam heftiger Protest, was die rechten Reihen aber erst recht schloss. Rülke erinnerte daran, dass Gedeon die Ermordung von Millionen Juden als "gewisse Schandtaten" relativiert und die Opfer beleidigt habe mit der Bezeichnung des Holocaust als einer "Zivilreligion des Westens". Diese Einladung, erkannte Rülke richtig, sei eine Schande.
1 Kommentar verfügbar
Wolfgang Zaininger
am 13.07.2017