Mia stolpert, schon wieder. Der beinahe Zweijährigen passiert das andauernd, erzählt die junge Mutter Adriana Uda, hier, in diesen beengten Verhältnissen. An der kastanienbraunen Wand im kleinen Wohnzimmer hat sich auf etwa einem Meter Höhe Farbe abgeschabt. Hier schrammt der Wäscheständer entlang, weil der Platzmangel ihn in die schmale Lücke zwischen Wand und Esstisch zwängt. "Manchmal spielen wir Tetris mit unserer Einrichtung", sagt Uda. Alle möglichen Kombinationen hätten sie ausprobiert. "Aber mehr ist einfach nicht rauszuholen."
Die zwei Zimmer mit kleinem Balkon am Relenberg im Stuttgarter Norden wären "für eine Einzelperson sicher eine coole Wohnung", betont die 24-Jährige. "Zu zweit war das auch noch in Ordnung." Zu dritt auf 43 Quadratmetern "ist das aber einfach schlecht für die Kindesentwicklung." 660 Euro Kaltmiete zahlen sie im Monat, plus 190 Euro Stromkosten, die besonders durch die energiehungrigen Nachtspeicherheizungen in die Höhe getrieben werden. Zwei Jahre ist die Familie schon auf Wohnungssuche, angefangen haben sie noch in der Schwangerschaft. Doch weder in Stuttgart noch in 40 Kilometern Umgebung habe sich etwas ergeben, trotz Hunderter Anfragen und Dutzender Besichtigungen.
Uda kann viel erzählen von den absurden Szenen, die in Stuttgart zum Standard geworden sind. Von Fließbandterminen und Maklern, die mit Menschen umgehen, als würde es sich um Waren handeln. Von der widerlichen Konkurrenz, die durch die Wohnungsnot unter den Suchenden entsteht. Von 40 Menschen, die in zehn Minuten durch beengte Räumlichkeiten geschleust werden, die sich verzweifelt erniedrigen und entblößen, um ihre Chancen, endlich fündig zu werden, zu erhöhen. "Vielen geht es noch schlechter als uns", sagt Uda mit Blick auf ihre Wohnung, die zwar viel zu eng ist, aber wenigstens schick eingerichtet. Sie will nicht, dass sich die Wohnungsuchenden untereinander anfeinden, will nicht, dass Neid die Menschen mit kleinem Geldbeutel trennt. Sondern dass sie gemeinsam für eine gerechtere Welt kämpfen, in der auch Arme das Recht haben, anständig zu wohnen.
Räumung soll 10 000 Euro kosten
Die junge Mutter fühlt sich verlassen von der Politik in einer Stadt, in der die Mieten <link https: www.haufe.de immobilien entwicklung-vermarktung marktanalysen mieten-steigen-nur-noch-um-zwei-prozent-im-jahresschnitt_84324_438566.html external-link-new-window>seit 2004 um fast 60 Prozent gestiegen sind und in der <link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft ein-revolutioenchen-4930.html external-link-new-window>immer mehr günstige Sozialwohnungen vom Markt verschwinden. Am 28. April hat sie sich für einen radikalen Schritt entschieden und gemeinsam mit ihrem Freund und dem kleinen Kind eine seit Monaten leerstehende Wohnung in der Wilhelm-Raabe-Straße besetzt. "Legal ist das nicht", sagte sie damals, <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik diese-wohnung-ist-besetzt-5066.html external-link-new-window>ganz zu Beginn der Besetzung. "Aber legitim." Die Aktion sollte nicht nur auf die eigene Lage hinweisen, sondern stellvertretend stehen für Zehntausende, die unter der dramatischen Mietpreisentwicklung am Stuttgarter Wohnungsmarkt leiden. Anders sah das der studierte Jurist und baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU), der <link https: www.stuttgarter-nachrichten.de inhalt.strobl-attackiert-linke-szene-hausbesetzer-sind-diebe.859ffb95-2ee6-43a3-a9f2-82c11144cd00.html external-link-new-window>die Hausbesetzer als "Diebe" bezeichnete und es "schon sehr perfide" findet, wie sich hier "die linksextremistische Szene die schwierige Situation am Stuttgarter Wohnungsmarkt so zunutze machen" wolle.
5 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 13.09.2018