Auf Anfrage von Kontext, wie sie den Vorwurf gegen die Mieter belegen können, teilt die Anwaltskanzlei der Vermieter mit: "Nach Rücksprache mit unserer Mandantschaft werden wir keine Anfragen in der vorbezeichneten Angelegenheit beantworten." Im Kündigungsschreiben, das der Redaktion vorliegt, finden sich weitere Vorwürfe, die den Mietern rechtswidriges Verhalten anlasten – und von der Gegenseite in ihrer Gesamtheit zurückgewiesen werden.
Statt auf dieser inhaltlichen Ebene gegen die Kündigung vorzugehen, verfolgt Thomas Jung, der die Familie Raad als Rechtsbeistand vertritt, jedoch zunächst eine andere Strategie: Er bestreitet – in einer Sprache, wie sich nur in der Juristerei aufzufinden ist – "die Aktivlegitimation der sich als Eigentümer Bezeichnenden". So gebe es zwar einen notariellen Kaufvertrag vom 21. Februar dieses Jahres und Ende August sei die Übergabe der Immobilie vollzogen worden. Doch in einem Grundbuch-Auszug vom 17. Mai 2018, der der Redaktion vorliegt, ist die Londoner Familie nur für den Erwerb vorgemerkt, aber noch nicht eingetragen.
Laut Jung entspräche das "nicht den gesetzlichen Regelungen zum Eigentumsübergang an einer Immobilie". Sollte sich das bestätigen, wäre dem Anwalt zufolge auch die Zwangsräumungen der besetzten Wohnungen rechtswidrig, denn gegen das Antragsdelikt Hausfriedensbruch können nur die tatsächlichen Eigentümer klagen.
Letztendlich ist diese Strategie nur ein Spiel auf Zeit. Sollte die Eintragung ins Grundbuch in der Zwischenzeit noch nicht erfolgt sein, ließe sie sich in Zukunft nachholen. Dass es in der Wilhelm-Raabe-Straße allerdings je zu einem gedeihlichen Miteinander der bestehenden Mietparteien mit ihren neuen Vermietern kommen wird, ist mehr als zweifelhaft.
Die Eingangstüren der ehemals besetzten Wohnungen sind inzwischen mit Holzbrettern verbarrikadiert. Der Dachboden, den die Mietparteien nach eigener Aussicht Jahre lang problemlos nutzen durften, ist inzwischen abgesperrt. Im Keller gibt es seit der Räumung keinen Strom mehr. Der Hinterhof ist mittlerweile durch einen grobschlächtigen Holzzaun vom vormals begehbaren Nachbargrundstück abgetrennt. Jung vermutet, dass "weitere Entmietungs-Strategien" folgen werden. Er findet es "verblüffend, dass die sich genau so verhalten, wie es den Klischeevorstellungen von den bösen Privateigentümern entspricht". Schikane hin oder her, sagt Ariane Raad: "Freiwillig gehen wir nicht."
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