Ralf Fücks dementiert diese Version. Zumindest zur Hälfte. Von einem Politiker, resümiert der Alt-Grüne, der inzwischen einem "Zentrum Liberale Moderne" vorsteht, seien keine literarischen Qualitäten zu erwarten. Schon gar nicht, wenn er keinen Ghostwriter mehr habe. Andererseits habe Thomas, also Mitherausgeber Schmid, sehr wohl um die gegenseitige Wertschätzung der beiden Ministerpräsidenten gewusst.
In dieser Zwickmühle ist es dann einfach schwer, Nein zu sagen. Zum einen hatten alle Autoren den Auftrag, sich von Alberto Moravia anleiten zu lassen, der da postulierte: "Diktaturen sind Einbahnstraßen, in einer Demokratie herrscht Gegenverkehr". Zum andern hat Kretschmann dem Zugfahrer Teufel (Spaichingen – Stuttgart Hbf) den Professorentitel verliehen, was ein schöner Ausdruck dieser Wertschätzung war. Und deshalb war die Entscheidung zu drucken richtig.
Nun glaube niemand, die Herren Fücks und Schmid seien Erfüllungsgehilfen von Murawski und Co. gewesen. "Wir sind doch keine Strohmänner des Staatsministeriums", schilt Fücks ins Telefon, "wir verantworten das Buch ganz alleine". Auch den Augsburger Bertolt Brecht, den sie auf Seite 13 zum "Oberschwaben" erklären, obwohl er ein bayerischer Schwabe ist. Aber das nur nebenbei, in der Gesamtsache besagen die Gerüchte, dass die zwei überaus selbstbewussten Männer Kretschmanns Entourage vorgeführt haben, wo Oberrealos den Most holen.
Kretschmann muss ständig Demokratie neu denken
Dafür haben sie auch nur ein bescheidenes Honorar in Höhe von jeweils 3000 Euro bekommen. Dies zu betonen ist Murawski wichtig, weil die Rechten im Landtag (AfD) bereits an den Aufwendungen herum gemäkelt haben. Die haben wohl nicht kapiert, dass, um es mit Hannah Arendt zu sagen, das "Denken ohne Geländer" eine öffentliche Aufgabe ist. (Außerdem hat Murawski auch noch den Klinikumsschlamassel an der Backe.)
Trotzalledem: Das Werk ist fertig geworden. Kein Parteibuch von Parteifreunden, sagt Fücks, sonst wären Kaliber wie Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, nicht vertreten. Und der katholische Bischof Gebhard Fürst sei wohl auch nicht den Grünen zuzurechnen. Nein, es sei eine "indirekte Würdigung" von Winfried Kretschmann, der "für demokratische Verhältnisse brennt", eine "Referenz an eine herausragende politische Gestalt", die es ernst meint mit einer "Politik des Gehört-Werdens".
Der Geehrte selbst wird am Vorabend seines Wiegenfests auch erscheinen. Den JournalistInnen steht er eine Viertelstunde für Fragen zur Verfügung, danach muss er zu einem Symposium in die Staatsgalerie eilen, in der erneut die demokratische Öffentlichkeit neu gedacht wird. Laut Programm wird Wolfgang Schäuble die Impulse zur Eröffnung setzen und Gisela Erler das Schlusswort sprechen. Tags darauf, beim offiziellen Geburtstagsempfang, halten Günther Oettinger, Thomas Strobl und Joschka Fischer die Festreden. Die geladenen Gäste werden beim Einlass um Geduld gebeten. Aufgrund der Sicherheitskontrollen könne es zu Wartezeiten kommen, warnt das Staatsministerium.
7 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 20.05.2018Der Artikel verharrt in der mir vom Autor bekannten Schreibweise - ein Erlebnisbericht mit kritischen Untertönen. Für mich bleibt der Artikel wieder einmal weit hinter dem zurück…