Da stand er nun im großen Saal des Stuttgarter Hospitalhofs am 1. Mai des vergangenen Jahres. Die grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen waren in der allerletzten Phase, und Murawski – oder KPM, wie er in seiner Umgebung gern genannt wird, mit oder ohne ehrfurchtsvollen Unterton – strahlte für drei. Immerhin war er gerade als haushoher Sieger aus dem Personalpoker gegangen. Im Kabinett Kretschmann II würde es keine Minister im Staatsministerium mehr geben: Sozialdemokrat Peter Friedrich verschwand nach dem SPD-Wahldesaster ohnehin, und seine grüne Intimfeindin Silke Krebs hatte den fünfjährigen, oft auf den Fluren und lautstark ausgetragenen Kleinkrieg klar verloren. Sie musste den Hut nehmen, eine Nachfolgerin war nicht vorgesehen. "Jetzt passt zwischen mich und meinen Chef kein Blatt Papier mehr", prophezeite der neue Alleinherrscher im Apparat auf dem Reitzenstein in der ihm eigenen entwaffnenden Offenheit.
"Der Gestaltungsspielraum liegt darin", hatte er zum Amtsantritt 2011 reichlich geschraubt formuliert, "sich am Meinungsbildungsprozess des Ministerpräsidenten zu beteiligen." Beteiligen ist gut. Wer Kretschmann liest, hört oft Murawski reden. Zum Beispiel am vergangenen Wochenende, als der Regierungschef beim Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" offenkundig seinen leicht ramponierten Ruf als Umwelt- und Klimaschützer wieder aufpolieren wollte. Er halte es für verhängnisvoll, sagte Kretschmann, Tote als Waffe im politischen Streit um Grenzwerte zu verwenden. Wortwörtlich genauso argumentiert sein Staatsminister, wenn er überdüngte Äcker beklagt und eine Landwirtschaft, die mehr Stickoxid produziert als der Verkehr. Oder dass das größte deutsche Kohlekraftwerk so viel CO2 in die Luft bläst wie ein Viertel aller Autos.
Von der FPD zu den Grünen übergelaufen
Immer mehr Grünen in Fraktion und Partei geht der Einfluss des gebürtigen Erfurters, der 1960 mit seinen Eltern aus der DDR flüchtete, zu weit. Zugleich bringt bisher jedenfalls niemand den Mut zu öffentlichem Widerspruch auf. Was längst nicht nur für die Dieseldebatte gilt. So wie jetzt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Worte findet, die sich viele Parteifreunde von dem Duo in der Villa Reitzenstein wünschen, mussten sich schon die Autobahnprivatisierungsgegner schlussendlich bei den Sozialdemokraten im Bund bedanken, die Ärgstes verhinderten. Wäre es nach Murawski gegangen, hätte der Bund einen 49-Prozent-Anteil verscherbelt. Die Begründung des gelernten Kaufmanns: Investoren bräuchten sichere Anlagemöglichkeiten, und für den Einfluss des Staats sei es ohnehin egal, "ob man hundert oder 51 Prozent besitzt".
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