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333

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Diese Ausgabe ist eine besondere, was unsere aufmerksamen Leserinnen und Leser bestimmt schon gemerkt haben. Es ist die Dreidreidrei. Und die hat nicht nur mit Keilerei zu tun, sondern auch mit Gerhard Mayer-Vorfelder, Lothar Späth und Cem Özdemir. Da wird's einem ganz anders.

Wer hier nur gleich "Schnapszahl" ruft und auf diese Erkenntnis einen Obstler kippt, dem wünschen wir zwar Wohlsein, nicht ohne aber seine offensichtlich mangelhafte humanistische Bildung zu tadeln. Denn jedes Schulkind sollte doch wissen: Drei drei drei, Issos Keilerei. Wobei eine repräsentative Kurzumfrage innerhalb der Redaktion einen erschreckenden Mangel an Kenntnissen darüber offenbarte, was es denn mit diesem Issos und dieser Keilerei auf sich hatte.

Zunächst, das Ganze trug sich am 5. November des Jahres 333 vor Christi Geburt zu. Den Ort Issos gibt es heute zwar nicht mehr, aber er wird nahe der heutigen türkischen Stadt Dörtyol vermutet, am Golf von Iskendrum. Bei "Keilerei" handelt es sich dabei um einen groben Euphemismus, denn die durchaus umfangreichen Heere des makedonischen Königs Alexander des Großen und des persischen Großkönigs Dareios III. trafen hier aufeinander, nach modernen Schätzungen zusammen mindestens 60 000, vielleicht auch über hunderttausend Mann, von denen einige Tausend den Abend nicht mehr erlebten. Begründet wurde Alexanders 334 begonnener Persienfeldzug übrigens mit der Rache für die rund 150 Jahre zuvor erfolgte persische Invasion Griechenlands, was vermutlich schon Zeitgenossen als propagandistischen Humbug abtaten. Man stelle sich vor, ein künftiger österreichischer Bundeskanzler Kurz würde die 1866 erlittene Niederlage gegen Preußen... lassen wir das.

Drei drei eins, bei Gaugamela auf die zwölf

Wie auch immer, Alexander siegte bei Issos triumphal, eine Entscheidungsschlacht war es trotzdem nicht. Die fand erst zwei Jahre darauf zwischen den gleichen Kontrahenten im einige hundert Kilometer östlich liegenden Gaugamela statt – nahe des heutigen Dohuk in der autonomen kurdischen Provinz im Irak. Danach war dann das stolze Altpersische Reich Geschichte. Die Eselsbrückentauglichkeit jenes Aufeinandertreffen ist aber leider mehr als bescheiden (Drei drei eins, bei Gaugamela auf die zwölf...), und hätte der stets um seinen Nachruhm besorgte Alexander schon eine Ahnung von der Zeitenwende und den daraus folgenden Datierungen gehabt, er hätte sich wohl einen anderen Ort oder Zeitpunkt für jene Schlacht ausgesucht.

Was exakt im Jahr 333 vor Christus im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg so passierte, ist leider ausgesprochen nebulös, weil die damals auch dort lebenden Kelten es nicht für nötig befanden, eine eigene Schrift zu entwickeln. Es war jedenfalls gerade die Zeit der so genannten Latène-Kultur, man lebte schon seit einigen Jahrhunderten in recht großen Siedlungen, Oppida genannt, und archäologische Funde bezeugen auch umfangreiche Handelsbeziehungen mit dem Mittelmeerraum, an dessen östlichem Ende sich gerade Alexander und Dareios kloppten. Ob der Prä-Schwabe davon überhaupt Notiz nahm, ob er in geselliger Runde bei Met oder Cervisia polterte, "Den Persern mit ihrem bescheuerten Gottkönigtum gehörte schon lange mal eins reingewürgt, jawoll!", ob er sich eher sorgte, "Jetzt muss ich statt der schönen Perserteppiche wahrscheinlich diese kratzige korinthische Auslegeware kaufen", oder ob er "Scheiß griechische Imperialisten" blaffte, das alles wissen wir nicht.

Doch genug von den sumpfigen Pfaden historischer Vagheiten, die 333 ist nämlich auch aus anderen Perspektiven interessant. Wobei überrascht, dass im "Lexikon der Numerologie und Zahlenmystik" von Helmut Werner kein Eintrag zu ihr zu finden ist. Aber immerhin zur "drei", die ja, lesen wir dort, "die heilige Zahl schlechthin" ist. Im Christentum, ja klar, durch die Dreieinigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, aber auch im Bereich der weltlicheren Mystik kommt man ohne die drei kaum aus. Man denke an die drei Musketiere, die drei Tenöre, die drei Tornados, drei Engel für Charlie, drei Damen vom Grill, die drei von der Tankstelle, oder den dritten Platz, den Baden-Württemberg im bundesdeutschen Kaufkraftvergleich seit Jahren belegt. Von der EU-Troika ganz zu schweigen. Zur neun übrigens, die ja die Quersumme der 333 ist, lernen wir aus Werners Lexikons, sie drücke "die höchste für den Menschen erreichbare Vollendung aus". Die 33 wiederum, so das Lexikon, "verstärkt als Ketten- oder Meisterzahl die Symbolkraft der 3. (...) Wer die 33 in seinem Numerogramm hat, zählt zu den Günstlingen des Schicksals."

§ 333, die kleine Schwester der Bestechung

Womit wir bei Gerhard Mayer-Vorfelder wären. Der 2015 verstorbene, ehemalige baden-württembergische Kultus- und Finanzminister, VfB- und DFB-Präsident, wurde am 3.3.1933 geboren, und so viele Affären und rechte Poltereien wie er hat vermutlich kein anderer Politiker im Lande überlebt. Da nimmt es nicht wunder, dass MV als Kultusminister zu Beginn der Achtziger gerne forderte, schon Grundschüler alle drei Strophen der Nationalhymne auswendig lernen zu lassen. Wofür er unter anderem von Jürgen Schützinger gelobt wurde, damals Landesvorsitzender der NPD. Einer Partei, die ja auch eine gewisse Nähe zur 33 hat. Datumstechnisch.

Interessant ist die 333 auch in der Juristerei, einem nur auf den ersten Blick der Zahlenmystik weit entrückten Feld. Paragraph 333 des Strafgesetzbuches befasst sich mit der "Vorteilsgewährung", in Absatz 1 lesen wir: "Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Weniger elegant formuliert, es geht sozusagen um die kleine Schwester der Bestechung (§ 334).

Paragraph 333 StGB gehört zum Komplex der Korruptionsdelikte, wobei sein Beinahe-Nachbar 331, die "Vorteilsnahme", schon häufiger Kontakt mit baden-württembergischen Politikern hatte: Mayer-Vorfelder wurde sie 1998 in der L-Bank-Affäre unterstellt, weil er von selbiger ein vierstelliges Vortragshonorar kassiert hatte. Aber wie alles saß der gesellige Reaktionär auch dies aus. Weniger Glück hatten dagegen Lothar Späth (Rücktritt 1991 als Ministerpräsident wegen Traumschiff-Affäre), Cem Özdemir (Rücktritt 2002 als innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion wegen Bonusmeilen- und Hunzinger-Affären) und Walter Döring (Rücktritt 2004 als Wirtschaftsminister wegen Flowtex-Affäre beziehungsweise Spende von PR-Mann Moritz Hunzinger). Kein Wunder, würde Zahlenexperte Helmut Werner nun wohl sagen, bei solchen Geburtsdaten (16.11.1937, 21.12.1965 und 15.3.1954). Verdient in der Veranschaulichung von 333 StGB machte sich 2006 übrigens der frühere EnBW-Chef Utz Claassen, weil er sechs Mitglieder des baden-württembergischen Kabinetts mit dem Inhalt seiner mit WM-Tickets vollgestopften Spendierhosen beglücken wollte, darunter Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) und Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). Aus Mangel an Beweisen wurde Claassen allerdings freigesprochen.

Womit der heitere Blick auf die aktuelle Ausgabennummer allmählich einen etwas unruhigen Magen hervorruft, dem wir am besten mit einem Stamperl Schnaps begegnen. Prost!


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1 Kommentar verfügbar

  • Ruby Tuesday
    am 20.08.2017
    Antworten
    Manchmal geht es auch kurz. Eine Edelfeder sorgte hier für gute Unterhaltung. Danke.
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