Badens Großherzog schielt auf Schaffhausen
Preußen hat erst einmal mit dem Gegenteil zu kämpfen. Als Mitglied des Deutschen Bundes ohne eigene Grenze zur Schweiz braucht es Durchmarschrechte von anderen deutschen Staaten und muss dabei größte Vorsicht walten lassen, nicht sofort wieder revolutionäre, antipreußische Stimmungen zu wecken. Hessen und Bayern genehmigen den Durchmarsch problemlos. Doch der Südwesten ziert sich.
In Baden liebäugelt Großherzog Friedrich zwar mit einer Teilnahme am Krieg, unter anderem, weil er sich gerne den Kanton Schaffhausen einverleiben würde. Doch vor seiner Bevölkerung, in der die liberal verfasste Schweiz große Sympathie genießt, hat er Bammel, weswegen er gegenüber Berlin Hinhaltepolitik betreibt.
In Württemberg plädieren sogar zehn Mitglieder der Abgeordnetenkammer offen gegen eine Durchmarschgenehmigung: "Ein Akt der Feindseligkeit würde das Volk in den Nachbarstaaten der Schweiz umso schmerzlicher berühren", so die renitenten Abgeordneten, "als die Schweiz zu allen Zeiten der friedlichste, inoffensivste und beste Nachbar Deutschlands war." Was auch bei der Regierung in Stuttgart die Furcht vor einer Revolution nährt und sie reserviert gegenüber Preußen agieren lässt.
Württembergische Rüstung für die Schweiz
Teile der Bevölkerung zeigen ihre Sympathien deutlich: Der Stadtrat von Leutkirch beschließt, der Schweiz den Kauf aller von der Gemeinde aufbewahrten Waffen anzubieten. Und der Historiker Bonjour erzählt von einer Waffenfabrik in Württemberg, möglicherweise Mauser, die "Tag und Nacht auf Bestellung für die Schweiz gearbeitet haben soll".
Und Preußen plagen noch andere Sorgen. Die Mobilmachung wird um zwei Wochen verschoben. Oberbefehlshaber General Karl von der Groeben hat Schwierigkeiten, überhaupt eine geeignete Landkarte der Schweiz zu finden, obwohl preußische Agenten eifrig durch das Grenzland auf beiden Seiten schleichen, um, so der General, "das für unsere Operationen nothwendige Terrain" zu erkunden. Und dann das Wetter! "Begann die Mobilmachung im Januar, so trafen die Truppen erst im März oder wohl noch später in der übelsten Jahreszeit ein. Grundlose Wege mit Schneefall wechselnd, reißende Bäche oft zu Strömen geworden, die Berge kaum zu erklimmen usw.", klagt von der Groeben Jahre später in einem Schreiben, das eher moderate Kenntnisse der sanft hügeligen Schweizer Topografie zwischen Hochrhein und Bern enthüllt.
Die britische Presse schießt gegen den Preußenkönig
So schnell schießen die Preußen vorerst nicht, dafür geraten sie selbst unter publizistisches Feuer – die Krise ist auch ein internationales Medienereignis. Vor allem die britische Presse schießt dabei scharf gegen Friedrich Wilhelm. Den Tenor bringt eine Karikatur der populären Londoner Satirezeitschrift "Punch" auf den Punkt, sie zeigt den König als "Prussian Disturber of the Peace", als preußischen Friedensstörer: Was eine bemerkenswerte Wandlung ist, denn wenige Jahre zuvor wurde der preußische König von der britischen Presse noch als Kriegszauderer wegen seiner Weigerung attackiert, in den Krimkrieg gegen Russland einzutreten. Seinen aus dieser Zeit stammenden Spottnamen hat er indes behalten: Seit Mitte 1854 wird Friedrich Wilhelm wegen ihm unterstellter Trunksucht sowie Vorliebe für Champagner der Marke "Veuve Clicquot" im "Punch" nur noch "King Clicquot" genannt, in Karikaturen wird die Champagnerflasche zu seinem bevorzugten Attribut. Selbst unter hohen britischen Diplomaten wird "King Clicquot" schnell zur üblichen Bezeichnung für den preußischen König.
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