Wer schweigt, verliert die Deutungshoheit. Steffen Wilfried Hammer und sein Beistand, der Kölner Rechtsanwalt Jochen Lober, berufen sich zum Auftakt des 22. Sitzungstags hartnäckig auf Paragraph 53 der Strafprozessordnung: "Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt (...) Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist." Gelten lässt das der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) nach Prüfung durch Landtagsjuristen nicht.
Die Obleute der Fraktionen kontern die Strategie mit einer Gegenstrategie. Auf 28 Fragen muss Lober, wie auch Hammer als rechter Szene-Anwalt bekannt, seinen Hinweis auf § 53 StPO stereotyp wiederholen. Er beklagt zwar die "papageienhafte Rolle", in die ihn Drexler gedrängt habe, weiterspielen will er sie trotzdem. Jetzt muss das Stuttgarter Amtsgericht entscheiden, ob Hammer schweigen darf. Wegen einer einzigen Stunde, in der er – mit genau diesem Hintergedanken, wie Ausschussmitglieder meinen – im Münchner NSU-Prozess die Anwältin von Ralf Wohlleben vertreten hat, was ihm in den Augen seines Rechtsbeistands Lober möglicherweise ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt. Oder ob er doch antworten muss. Zum Beispiel darauf.
In welchem Zeitraum haben Sie für die Band "Noie Werte" gespielt?
Seit Ende der Achtzigerjahre war Hammer Frontsänger der 1987 gegründeten Band. Ihr erster belegter Auftritt fand in Schwäbisch Gmünd statt. In mehreren Analysen und Büchern zum Thema ist beschrieben, dass der gebürtige Reutlinger bis zu deren Selbstauflösung 2010 Teil der Gruppe war. Außerdem trat der heute 47-Jährige auch als selbsternannter nationaler Liedermacher auf. Andrea Röpke, die Rechtsextremismus-Expertin, die in zahlreichen NSU-Ausschüssen als Sachverständige auftrat, schlägt den Bogen zum "Nationalsozialistischen Untergrund": Auf die NSU-Terroristen müsse "die Gruppe starken Eindruck gemacht haben, denn sie wählten die in der Szene sehr beliebten Songs 'Kraft für Deutschland' und 'Am Puls der Zeit' als Begleitmusik für ihr 2001 entstandenes Bekennervideo zu den ersten vier Morden und einem Sprengstoffanschlag in Köln".
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Harald Böhm
am 16.05.2018