Diese Unkultur hatte er so beschrieben: "Weder die Oberbürgermeister, noch die Baubürgermeister dieser Stadt haben in den vergangenen Jahrzehnten wesentliche Gedanken zur Stadt, zu unserer Stadt beigesteuert. ... Kein Wunder, dass damit ein verhängnisvoller Kreis geschaffen wurde: Kein Denken, kein Gespräch, keine sprachfähigen verantwortlichen Bauherren, keine sprachfähigen Architekten, keine Sprach-, Planungs- und Baukultur." Die Folge, so Ostertag zu Stuttgart 21: "Häppchenweise wird die Öffentlichkeit nachträglich informiert. Kein Wunder, dass sich dagegen zunehmend Kritik und Unwillen äußert."
Das war 1996, im Jahr nach der Vorstellung der Machbarkeitsstudie für das Bahnprojekt und der ersten Rahmenvereinbarung zwischen Bund, Land, Stadt, Regionalverband und der Deutschen Bahn. Und damit drei Jahre bevor Bahnchef Johannes Ludewig das Projekt wieder auf Eis legte. Soll nochmal einer sagen, der Protest habe sich zu spät geregt.
Ostertag war zu diesem Zeitpunkt seit 26 Jahren Professor für Gebäudelehre und Entwerfen der Technischen Universität Braunschweig und seit drei Jahren Präsident der Bundesarchitektenkammer. Er war zur selben Zeit auch Mitglied des Kuratoriums der wegweisenden Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park im Ruhrgebiet.
In Stuttgart stand damals das Bosch-Areal noch auf der Kippe. Ostertag hat mit einer Bürgerinitiative für den Erhalt der denkmalgeschützten Industriebauten gekämpft und vier Jahre zuvor den städtebaulichen Ideenwettbewerb gewonnen. In dem Areal waren lange Zeit das Regierungspräsidium und sogar das Landesdenkmalamt ansässig. Doch das Land wollte abreißen, um ein 32 Stockwerke hohes Hochhaus zu errichten. 1995 wurde ein Investorenwettbewerb ausgeschrieben, der mit einem Patt ausging. Zwei Jahre später stimmte dann der Gemeinderat einer Lösung zu, die weitgehend den Vorstellungen Ostertags folgte, nachdem sich der vom Land präferierte Investor zu Zugeständnissen bereit erklärt hatte. Der Kompromiss brachte allerdings mit sich, dass dort keine Wohnungen gebaut wurden. Es entstand nur eine einzige: die des Investors.
Voller Ideen für eine lebenswerte Stadt
Aber Ostertag war ein Fuchs. An die Ecke des Geländes setzte er anstelle des sechsstöckigen Verwaltungsgebäudes der Nachkriegszeit, dessen einziger Schmuck in einem roten Bosch-Schriftzug bestand, ein rundes, durch horizontale, schwarze Bänder gegliedertes gläsernes Treppenhaus, das die Stuttgarter Stadtgesellschaft an eine andere Sünde erinnerte: an das 1960 abgerissene Kaufhaus Schocken des berühmten Architekten Erich Mendelsohn.
1 Kommentar verfügbar
Gerhard Raff
am 16.05.2018dankschee für älles ! farewell and see you !