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Die Wahrheit hat es nicht leicht

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14 Untersuchungsausschüsse zum NSU haben sich bisher mit Mängeln in Aufklärung und Ermittlungen befasst. Der in Hessen steht vor dem Abschluss. In Schwerin mauert die CDU. Und in Baden-Württemberg treten immer neue Details zu rechtsradikalen Parallelgesellschaften zutage.

Die Wiesbadener Abgeordneten sind auf der Zielgeraden – aber ohne Aussicht, ihr Ziel je zu erreichen. Denn die Mitglieder im NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags müssten, würde Einsicht um sich greifen, eingestehen, dass zu viele wichtige Fragen unbeantwortet bleiben. Nicht etwa, weil schon zwölf Jahre verstrichen sind seit dem Mord an Halit Yozgat in seinem Kasseler Internetcafé, in Anwesenheit des Verfassungsschützers Andreas Temme, der keinen Schuss gehört und beim Rausgehen die Leiche hinterm Tresen nicht gesehen haben will. Sondern weil im Entwurf des Abschlussberichts allzu oft zum kompromisslerischen Sowohl-als-Auch gegriffen wird: "Die Frage, ob Temme an der Tat beteiligt oder ob er gar selbst der Täter war, kann der Untersuchungsausschuss nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Allerdings hält es der Ausschuss, ebenso wie es die Staatsanwaltschaften in den Jahren 2007 und 2012 sahen, für wahrscheinlicher, dass Temme nicht daran beteiligt war (...) Eine sichere Feststellung, dass Temme nicht der Täter war, lassen diese Erwägungen aber nicht zu."

Von Anfang an war die Konstellation in Hessen schwierig. Während in Baden-Württemberg beide Untersuchungsausschüsse mit den Stimmen von Regierungs- und Oppositionsfraktionen eingesetzt wurden, hingen die hessischen Grünen auf Gedeih und Verderb an der CDU. Weil sie die Koalition unter Volker Bouffier nicht platzen lassen wollten, agierten sie äußerst zurückhaltend. Die Wahrheit hat es nicht leicht, wenn nicht sein kann, was nicht sein darf. Und wenn Zusammenhänge offenbar so brisant sind, dass die internen Ermittlungen des Landesamts für Verfassungsschutz mit einer 120-jährigen Sperrfrist belegt sind.

Dennoch oder gerade deshalb bleibt die hessische Linkspartei bei ihrer These, Ministerpräsident Bouffier habe in seiner Zeit als Innenminister die Hand schützend über Temme gehalten. Immerhin soll es nach den Akten sogar ein Treffen der beiden beim Grillfest eines CDU-Arbeitskreises gegeben haben. Belegt ist außerdem, wie Abgeordnete im Jahr 2006 verspätet informiert wurden, während Bouffier schon gut zwei Wochen nach der Tat von der Polizei über Temmes Gegenwart am Tatort informiert worden war. Drei Monate später wurde die heikle Nachricht publik. Der Innenminister verschwieg dem Landtag, dass und was er schon seit April wusste. Die sechs Abgeordneten der Linken im Landtag werden ein Sondervotum zum Abschlussbericht vorlegen – nicht zuletzt, um die Rolle des Vorsitzenden Hartmut Honka (CDU) zu beleuchten. Fehlender Aufklärungselan wird ihm vorgeworfen und eine des Öfteren unglückliche Vernehmungstechnik: "Warum", wollte er von einem Zeugen – Teile der Antwort unterstellend – wissen, "war aus Ihrer Sicht Herr Temme zur falschen Zeit am falschen Ort?"

Auch andernorts macht die CDU keine gute Figur. Aktuell in Mecklenburg-Vorpommern, wo sich bisher ein NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags müht. Schon vor Weihnachten stellte der Politikwissenschaftler Gideon Botsch als Gutachter den Ermittlungsbehörden ein dürftiges Zeugnis aus. Botsch sollte Verbindungen des Trios in den Nordosten untersuchen. "Ich halte die Aufarbeitung der beiden Tatkomplexe im Land – dem Mord an Mehmet Turgut 2004 und die beiden Banküberfälle 2006 und 2007 – für besonders schlecht", sagte er im NDR-Interview. Es müsse mit den Mitteln des Parlaments mehr Licht in die Vorgänge gebracht werden. Das wird nicht gerade befördert durch eine CDU, die vorrangig mit ihrem Argwohn beschäftigt ist, SPD und Linke wollten ein "politisches Süppchen" kochen.

Bei der Zusammenarbeit der Ausschüsse noch viel Luft nach oben

Zur Wahrheitsfindung wichtig wäre die so oft versprochene Zusammenarbeit unter den Ausschüssen in Bund und Ländern. Das zeigt sich an einem Zeugen, der zur nächsten Sitzung Mitte April nach Stuttgart geladen ist. Schon im Herbst 1996 warnten Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern das Stuttgarter LKA vor Markus Frntic und den Aktivitäten einer "Ku-Klux-Klan-Gruppe aus Stuttgart", die er angeblich sogar anführe. Dem Deutsch-Kroaten wird eine "zentrale Rolle" in der Szene zugeschrieben, er unterhielt Kontakte zumindest zu Helfern des NSU-Trios. Immer wieder wurde kritisiert, dass er nicht schon vom ersten der beiden Stuttgarter Ausschüsse geladen war. Dazu könnte bei einer engeren Abstimmung der Abgeordneten in den beteiligten Parlamenten untereinander herausgearbeitet werden, warum so viele Hinweise auf eine sich etablierende und ausbreitende rechtsradikale Szene so lange Zeit nicht zusammengeführt wurden.

Auskunft gerade dazu könnte eine Schlüsselfigur geben, die nun endlich gehört werden soll in Baden-Württemberg. Nach zwei vergeblichen Anläufen wird der Neonazi Sven Rosemann aus Thüringen erwartet, um Auskunft zu einem Waffenkauf im Land zu geben und überhaupt "zu Verbindungen zwischen NSU und Personen, Organisationen und Einrichtungen des rechtsextremen/rechtsradikalen Spektrums" im Südwesten, wie es im Einsetzungsauftrag des Ausschusses heißt. Würde Rosemann diesmal kommen und wahrheitsgemäß aussagen, wäre Erhellendes zu erhoffen zum Entstehen der Szene im Osten gleich nach dem Fall der Mauer, zu den bald geknüpften Kontakten in den Westen und ins Ausland. Allerdings meldete er sich vor dem ersten Auftritt krank. Das zweite Mal tauchte eine Patrone im Briefkasten des früheren Anführers der Rudolstädter Neonazi-Szene auf. Der Auftritt wurde verschoben.

"Er könnte dem Trio als militantes Vorbild gedient haben", schreibt Andrea Röpke in "Blut und Ehre: Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschlands". Unstrittig ist, dass der Thüringer 1993 im Knast in Hohenleuben den späteren NSU-Mörder Uwe Böhnhardt kennenlernte. "Die Zelle ging auf und er kam rein", berichtet Rosemann im Gespräch mit dem Journalisten Stefan Aust. Damals sei "noch erlaubt gewesen, dass man die Stiefel und Bomberjacken tragen konnte in der Haft, und so hat man sich gleich erkannt". Den 15-Jährigen beschreibt er als "eigentlich reif für sein Alter (...) noch nicht so politisch (...) nicht so bewandert mit der deutschen Geschichte (...), aber als Mensch an sich spitze". Rosemann wird oft als Skinhead der ersten Stunde beschrieben, der sich auskennt in der Szene wie kaum ein anderer, der viele Steine zusammenfügen könnte.

Viele ZeugInnenauftritte gleichen Märchenstunden

Aber das mit der Wahrheit so eine Sache. Zwar werden alle ZeugInnen in den Ausschüssen darauf hingewiesen, dass sie bei ihr bleiben müssen, nichts weglassen und nichts hinzufügen dürfen. Tatsächlich jedoch gleichen viele Auftritte reinen Märchenstunden. Da erscheinen NPD-Stadträte wie der Mannheimer Christian Hehl, der wortreich über seine Weltsicht schwadroniert, sich aber gar nicht mehr erinnern kann, wenn es konkret wird. Ein anderes Mal werden Informationen bewusst zurückgehalten.

Gegen die Münchner Rechtsanwältin Ricarda Lang, die ebenfalls Mitte April erneut erscheinen muss in Stuttgart, ist bereits ein Zwangsgeld von tausend Euro verhängt. Nach dem Amts- hat auch das Landgericht Stuttgart kein Anrecht auf Zeugnisverweigerung gesehen. Lang ist ein Dreh- und Angelpunkt im Fall Michèle Kiesewetter, weil ihr angeblich jemand berichtet hat, am 25. April 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese sei es um ein Waffengeschäft gegangen. Benennen mochte sie den Informanten bisher um keinen Preis.

Oder Steffen Wilfried Hammer, Rechtsanwalt und Ex-Sänger der Rechtsrockband "Noie Werte", könnte im Zeugenstand ein Licht auf die Akzeptanz werfen, derer sich Extremisten mittlerweile in Teilen der Gesellschaft insofern erfreuen, als deren stadtbekannte Überzeugungen hingenommen oder sogar begrüßt werden – von der Friseurin in Wolpertshausen bis zu Hammer selbst. Erst vor wenigen Monaten hat er mit Nicole Schneiders, die der Verfassungsschutz ebenfalls zur rechtsradikalen Szene rechnet, in Reutlingen die neue Kanzlei "Rechtsanwälte Hammer & Schneiders PartmbB" gegründet – spezialisiert auf Familien-, Straf- und Verkehrsrecht. Einer der Kumpel aus radikalen Tagen, Oliver Hilburger, ist Betriebsrat bei Daimler, eingezogen über die Liste Zentrum, die nicht nur in Untertürkheim gestärkt aus den Betriebsratswahlen vor wenigen Wochen hervorging. Aber das ist eine andere Geschichte. Auch keine erbauliche. Die 21.Sitzung des zweiten parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag findet am 16. April statt.


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3 Kommentare verfügbar

  • Rolf Steiner
    am 05.04.2018
    Antworten
    Ich würde es begrüßen, wenn Sie nicht nur einen Ausschnitt der Karte mit den Nazi--Fähnchen veröffentlichen würden, sondern mal eine komplette Karte, auf der sichtbar wird, wie braunverseucht unser Land in Wiriklichkeit ist. Im Gegensatz zu David Sohn ist dies in München zwar kein "Schauprozess".…
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