Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht der Fachkräftemangel beschworen wird. Die Gleichung geht so: Zurückgehende Arbeitslosenzahlen bei gleichzeitig steigender Zahl der offenen Stellen ist gleich Fachkräftemangel. "Händeringend", berichtete Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer vergangene Woche, suchten die Unternehmen nach Arbeitskräften. Dass es keine einzige empirische Untersuchung gibt, die einen Fachkräftemangel belegt oder wenigstens überwiegend wahrscheinlich macht, scheint in Zeiten von Fake News unwichtig.
Wie man die Meinung, es herrsche Fachkräftemangel, "macht", hat kürzlich in vorbildlicher Weise der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vorgeführt. Am 13. März veröffentlichte er seinen Arbeitsmarktreport 2018 und eine <link https: www.dihk.de presse meldungen external-link-new-window>Pressemitteilung mit dem Titel "Fachkräfte gesucht wie nie!". Die zentrale Botschaft: Für 60 Prozent der Betriebe ist der Fachkräftemangel das "Geschäftsrisiko Nummer eins". Die zentrale Zahl: 1,6 Millionen. So viele Stellen können, so der DIHK "längerfristig nicht besetzt werden". Kaum war die Pressemitteilung in der Welt, rauschte es im elektronischen Blätterwald. "DIHK ermittelt. In Deutschland fehlen 1,6 Millionen Fachkräfte", titelte "faz.net". Von der "Zeit" bis zur "Heilbronner Stimme" war als Headline zu lesen: DIHK – Fachkräftemangel belastet Unternehmen immer stärker.
Hintergrund der Pressemitteilung war eine Umfrage des DIHK, an der sich 24 000 Unternehmen beteiligt haben. Der DIHK stellte vier Fragen, für die drei bis acht vorgegebene Antwortmöglichkeiten sowie bei zwei Fragen außerdem "Sonstiges" angekreuzt werden konnten (<link https: www.kontextwochenzeitung.de fileadmin content kontext_wochenzeitung dateien dihk_fachkraeftemangel_fragebogen_maerz_2018.pdf external-link-new-window>hier die Ergebnisse als PDF).
Ominöse 1,6 Millionen offene Stellen
Das auf 31 Seiten publizierte Ergebnis des Fragebogens stimmt nun aber nicht mit der Pressemitteilung überein. Dass 1,6 Millionen Stellen längerfristig nicht besetzt werden können, wird vom DIHK zwar im Arbeitsmarktreport 2018 behauptet, aber es wird nicht erklärt, woher diese Zahl kommt – es gibt nicht einmal eine unplausible Erklärung, sondern einfach gar keine.
14 Kommentare verfügbar
D. Hartmann
am 17.04.2018Ein "echter" Fachkräftemangel wäre sehr leicht an einem einfachen Parameter zu erkennen nämlich den Gehältern. Diese müssten in den vom Fachkräftemangel betroffenen Bereichen (überdurchschnittlich) schnell und deutlich steigen. (Eine…