Roman Zitzelsberger, der IG-Metall-Bezirksleiter, lobt die Einigung in sechs Verhandlungsrunden, begleitet von Warnstreiks, als Meilenstein. Er hat Recht. Zum einen mit Blick auf eine gerechtere Balance zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen im zunehmend digitalisierten Alltag. Zum anderen hinsichtlich von Erziehungs- und vor allem Pflegeleistung in unzähligen Familien. Seine Gewerkschaft wollte ursprünglich sogar einen finanziellen Teilausgleich für die neue verkürzte Vollzeit erstreiten. Herausgekommen sind immerhin zwei zusätzliche freie Tage, die die Unternehmen allein zu finanzieren haben für alle, die vorübergehend kürzertreten wollen oder müssen, die Kinder bis acht Jahren betreuen, die in Schicht arbeiten, oder die Angehörige pflegen. Zwei Drittel dieser Pflege-Arbeit wird in der Bundesrepublik von der Familie und nicht in Pflegeheimen geleistet.
"Zeit statt Geld" heißt die neue Zauberformel. In Umkehr zu der bis heute propagierten Ansicht der Kapitalseite, die weit überwiegende Mehrzahl der Beschäftigten wolle lediglich mehr arbeiten, um sich einen Urlaub oder ein dickeres Auto leisten oder das eigene Häusle schneller abbezahlen zu können. Eine Gewerkschaftsumfrage aus dem vergangenen Jahr zeichnet ein anderes Bild: 83 Prozent der MitarbeiterInnen wünschten sich, die Arbeitszeit vorübergehend absenken zu können, um Arbeit und Privatleben besser zu vereinbaren. 62 Prozent der Frauen mit Kindern unter 14 Jahren arbeiten bisher in Teilzeit zwischen 21 und 34 Stunden in der Woche, in der Regel ohne Anspruch auf Rückkehr zur Vollzeit. Deshalb war es auch wenig elegant, dass Südwestmetall-Chef Stefan Wolf seit Beginn der Tarifrunde die Ablehnung neuer Zeitmodelle immer wieder mit dem Hinweis auf eine angebliche Diskriminierung von Frauen begründete. Sein Argument hieß, sie seien ja nicht in Vollzeit tätig und könnten deshalb von einer 28-Stunden-Woche nicht profitieren.
Sie profitieren doch. Zwischen Vollzeit -und Teilzeit-Beschäftigten wird bei der neuen Regelung zur Reduzierung kein Unterschied gemacht. "Vernünftig" nennt Wolf das neue Tarifsystem inzwischen, allerdings werde es "in seiner Komplexität für viele Betriebe schwer zu tragen sein". Was wiederum nur ein Teil der Wahrheit ist, denn schon seit Jahrzehnten lassen sich gerade im Südwesten Betriebe für Familien- und Frauenfreundlichkeit auszeichnen. "Unternehmen positionieren sich zunehmend als familienbewusst im sich verschärfenden Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte", sagte Stefan Küpper, der Geschäftsführer Politik, Bildung und Arbeitsmarkt der Arbeitgeber Baden-Württemberg, als vor acht Wochen 58 Unternehmen im Land prämiert wurden.
3 Kommentare verfügbar
Spartakus 2.0
am 11.02.2018Wenn Sie das Kleingedruckte gelesen hätten wüssten Sie das die Möglichkeit auf diese Teilzeit auf 18 % begrenzt ist.Also 82 Prozent sie nicht in Anspruch nehmen können.
Da man wohl davon ausgehen kann das kleinere Betriebe…