Die Union in Baden, der Kurpfalz und in Württemberg hat zehn verlorene Jahre hinter sich. Zuerst an der Regierung unter Günther Oettinger und Stefan Mappus – beide auf ihre Weise komplett überfordert mit dem höchsten Amt im Land –, und dann in der Opposition, die vor allem genutzt wurde, um Grüne und Rote zu verunglimpfen. Am 13. März begann eine neue Zeitrechnung. "Anstatt den Fehler, den man eben / noch gemacht hat, zuzugeben, / umschreibt man lieber wortreich prompt, / warum jetzt alles anders kommt": Als Spitzenkandidat ist Guido Wolf gescheitert, als reimender Ratgeber hat er geradezu seherische Fähigkeiten.
Bisher haben viele CDUler aus dem Südwesten traditionell eher nach Bayern als nach Berlin oder gar nach NRW geschielt, wenn es um die eigene Positionierung ging – nicht erst seit immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sondern auch in bildungs-, arbeitsmarkt- oder gesellschaftspolitischen Fragen. Die Achse im Süden sollte tragen, in Sachen Schulstruktur, in der Frauenförderung, in Fragen des Länderfinanzausgleichs, überhaupt in der Überzeugung, einen Stammplatz auf der Überholspur zu haben.
Im Tagestakt purzeln die Positionen
Jetzt, wo die von Thomas Strobl so emsig bemühte schwarze Tinte seit ein paar Wochen getrocknet ist im Koalitionsvertrag, jetzt, wo Neue am Kabinettstisch ihre ersten Spuren hinterlassen, wird deutlich, dass die Seehofer-CSU als Vorbild ausgedient hat. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, diesmal besonders schnell. Nicht im Wochen-, sondern im Tagestakt purzeln Versprechungen und Positionen. Ein Beispiel von vielen: Strobl kann seinen Worten, abgelehnte Asylbewerber schneller zur Ausreise zu zwingen als die bisher so lahme grün-rote Koalition, keine Taten folgen lassen. Regelmäßig beklagte der Merkel-Vize im Wahlkampf, wie viel Luft nach oben bei Abschiebungen sei. Aktuell wird die allerdings auch unter seine Ägide nicht genutzt. Und die Verantwortlichen nennen Hinderungsgründe, die schon vor dem Regierungswechsel gegolten haben, wie fehlende Papiere, mangelnde Kooperation in den Herkunftsländern oder Krankheit.
Kein Juniorpartner wollte Strobl sein. In der ersten Verzweiflung nach der Wahlniederlage spukten sogar Ideen durch seine CDU, sich die Legislaturperiode mit den Grünen gewissermaßen zu teilen und Winfried Kretschmann nach zweieinhalb Jahren einen Rollenwechsel mit seinem Stellvertreter abzunötigen. Heute muss der Heilbronner Bundestagsabgeordnete erhebliche Wissenslücken einräumen und froh sein, von den Grünen eine Schnellbleiche in zentralen Fragen zu erfahren. Als Mitte Juni endlich auch die Deutsche Bahn zugab, wie viel später Stuttgart 21 fertig werden könnte, war Strobl nicht sprechfähig. Vielmehr verwies er vor Journalisten und laufenden Kameras auf den neben ihm sitzenden und bis vor wenigen Wochen so heftig gescholtenen Verkehrsminister. Kleiner als klein geht es kaum. Vom Regieren auf Augenhöhe keine Spur. Wie gerne hätte Thomas Strobl erreicht, dass sich für den Hausherrn seines zusammengezimmerten Ressorts, zuständig für "Inneres, Digitalisierung und Migration", der Begriff Superminister durchsetzt. Wie symptomatisch, dass weder Freund noch Feind in der Landespolitik auf die Idee kommen, ihn als solchen zu bezeichnen.
2 Kommentare verfügbar
Alex Maier
am 29.06.2016Die grüne Fraktion hatte mit Brigitte Lösch bereits von 2001 bis 2006 eine parlamentarische Geschäftsführerin.