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Gefährlicher Quatsch

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Der Singener AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon schätzt die weltweit verbreitete Hetzschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion". Das Machwerk zählt zum Kernbestand antisemitischen Denkens. Was drin steht, erklärt unser Autor.

Die Vorstellung, dass eine geheimnisvolle Verschwörung der Juden für Fehlentwicklungen der Moderne verantwortlich ist, dass es sich um ein planvolles Vorgehen zur Zersetzung der Völker zu einem "Menschheitsbrei" handelt und dass angeblich einander bekämpfende politische Strömungen in der Realität gleichermaßen dem "Weltjudentum" dienen, übt seit über 100 Jahren in gewissen Kreisen eine große Faszination aus.

Auch bei Wolfgang Gedeon, dem pensionierten Arzt vom Bodensee, der bei der Landtagswahl 15,7 Prozent der Stimmen im Wahlkreis Singen erhielt. Der 69-Jährige hat in seinem Buch "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten" einschlägig rechtskräftig verurteilte und knasterfahrene notorische Holocaust-Leugner und militante Antisemiten wie Horst Mahler, David Irving und Ernst Zündel als "Dissidenten" verharmlost und den Holocaust, die industriell betriebene Massenvernichtung von Menschen, als "Zivilreligion des Westens" verhöhnt.

Außerdem spricht Gedeon in seinem Pamphlet von "westlicher Entdemokratisierungspolitik" und bezieht sich dabei auf den Paragraphen der Volksverhetzung im Strafgesetzbuch. Der AfD-Abgeordnete schreibt: "Hier ist es einer kleinen, im wesentlichen zionistisch definierten Minderheit gelungen, das Grundrecht der Ergebnisse einer geschichtlich wissenschaftlichen Forschung zu glauben, und stellt deren Leugnung unter zum Teil hohe Strafe." Gedeon weiter: "Über die politische Anwendung des § 130 StGB findet also eine schleichende Entdemokratisierung statt." Zudem bagatellisiert Gedeon den Holocaust als "gewisse Schandtaten".

Gedeon will die Hetzschrift überall verbreiten

Gedeons antisemitische Abgründe gipfeln in seiner Aufforderung, die gefälschte, antisemitische Hetzschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion" überall zu verbreiten – "insbesondere in Schulen" – und diese zu "diskutieren" und zu "analysieren". Den "immer passenden Vorwurf", die "Protokolle" seien antisemitisch, diffamiert Gedeon als "vordergründig plakative Phrasendrescherei".

Urheber der "Protokolle" seien "zionistische Cliquen", behauptet Gedeon und tut kund: "Dass sie dabei im 20. Jahrhundert sehr erfolgreich waren, wird deutlich, wenn man sich gewisse Analogien zwischen der in den Protokollen propagierten politischen Strategie und Taktik und zum Beispiel den politischen Methoden der Brüsseler EU vor Augen hält."

Gedeon outet sich an dieser Stelle als ein ausgemachter Anhänger von antisemitischen Verschwörungstheorien. Längst bekannt ist, dass die von ihm geschätzten und verteidigten "Protokolle der Weisen von Zion" eine antisemitische Fälschung sind, die darauf abzielt, die Legende einer jüdischen Weltverschwörung zu stricken. Den Anhänger*innen des Antisemitismus dienen die "Protokolle" als das "Kronzeugendokument" für die Existenz einer jüdischen Weltverschwörung. In dem Machwerk wird nahegelegt, dass es sich um Aufzeichnungen einer Geheimkonferenz von Juden handelt, worin Pläne und Strategien zur Erlangung der Weltherrschaft entwickelt wurden.

Fakt ist, dass große Teile der "Protokolle" der 1864 erschienenen politischen Streitschrift "Dialogue aux enfers entre Machiavel et Montesquieu" des französischen Publizisten Maurice Joly entstammen. Joly wollte beweisen, dass eine Tyrannis nicht nur unmoralisch, sondern vor allem nicht mehr zeitgemäß sei. Juden werden in seinem Text nicht erwähnt.

Die Schrift gelangte in die Hände des zaristischen Geheimdienstes Ochrana, der es umschreiben ließ. Die Argumente von Jolys "Machiavelli" wurden übernommen und den anonymen "Weisen von Zion" in die Schuhe geschoben: Die Juden bekennen sich dazu, dass sie den Liberalismus verbreiten, um die alte Ordnung zu untergraben und Chaos zu säen. Am Ende, so heißt es, würden sie mit eisern-totalitärer Faust über die Menschheit gebieten und einen Herrscher aus dem Geschlecht Davids auf den Thron hieven.

Der Geheimdienst lieferte damit reaktionären Kräften in Russland ein Agitationsmittel gegen Reformkräfte und Oppositionelle, die mit dem Verweis auf eine "jüdische Verschwörung" als deren Marionetten diskreditiert werden sollten. Modernisierung sollte als das Werk dieser jüdischen Verschwörer*innen erscheinen. Juden mochte Nikolaus II. nicht. 1903 erschienen in Russland erstmals Auszüge aus den "Protokollen" in antisemitischen Presseorganen. Vollständig veröffentlicht wurden sie dort erstmals 1905. Der Metropolit von Moskau ließ die antisemitische Hetzschrift in allen hauptstädtischen Kirchen vorlesen.

Auch Hitler war ein begeisterter Leser der "Protokolle"

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs brachten russische Emigrant*innen die "Protokolle" nach Westeuropa. Eine erste deutschsprachige Ausgabe wurde im Januar 1920 verlegt. Im Jahr 1924 veröffentlichte Theodor Fritsch (1852 bis 1933), ein erfolgreicher Verleger völkisch-antisemitischer Schriften im Kaiserreich und der Weimarer Republik, im Leipziger Hammer-Verlag des Reichshammerbundes eine populär gefasste Ausgabe der "Protokolle", die hunderttausendfach verkauft wurde. Fritsch war einer der Wegbereiter des Holocaust und wurde von den Nationalsozialisten als Vorläufer und Wegbereiter der braunen Bewegung anerkannt und geehrt.

Auf antisemitische und völkische Kreise wirkte die Hetzschrift wie eine Offenbarung, die ihnen als Erklärung für alle politischen, sozialen und ökonomischen Missstände diente. Als begeisterter Leser der "Protokolle" zeigte sich Adolf Hitler in "Mein Kampf". O-Ton Hitler: "Wie sehr das ganze Dasein dieses Volkes auf einer fortlaufenden Lüge beruht, wird in unvergleichlicher Art in den von den Juden so unendlich gehaßten Protokollen der Weisen von Zion gezeigt. Sie sollen auf einer Fälschung beruhen ... der beste Beweis, daß sie echt sind."

Bei Gedeon heißt es in seinem 431 Seiten umfassenden Buch "Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten" dazu: Ein "Argument gegen den Fälschungscharakter des Werkes liegt in der geradezu hysterischen Reaktion, die die Protagonisten des Zeitgeistes bei diesem Thema an den Tag legen".


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3 Kommentare verfügbar

  • Ansgar
    am 12.06.2016
    Antworten
    Wie viel Aluhut kann eine Gesellschaft ertragen? Ich hoffe ziemlich viel. Die Chimäre der Protokolle ist dagegen ja noch harmlos, weil das eigentlich keiner ernst nimmt.

    Und das zaristische Russland wurde schließlich von linken Revolutionären beseitigt. die vom deutschen Kriegsgegner finanziert…
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