Die AfD hatte am vergangenen Mittwoch, dem 29. Januar, ihren historischen Tag. Es war der Tag, an dem eine rechtsradikale Partei hoffähig wurde. Ermöglicht vom Vorsitzenden der CDU, Kanzlerkandidat Friedrich Merz, der keine Scham hatte, seine sogenannte Asyl-Wende mit Hilfe der AfD durch den Bundestag zu bringen. Die Brandmauer war gefallen. Der Berliner "Tagesspiegel" schrieb: "Laut heraus gebrüllte Häme bei der AfD, tiefe Verzweiflung bei SPD, Grünen und Linken."
Was das im Einzelnen bedeutet, diese "Verschärfung der Migrationspolitik", zu der man auch "Festung Europa" sagen kann, soll hier nicht das Thema sein. Erwähnt sei nur, dass es auch der Tag des Holocaust-Gedenkens im Bundestag war, der Befreiung von Auschwitz vor 80 Jahren – durch die Rote Armee, was gerne vergessen wird. Damals waren es deutsche und europäische Juden, die an fremden Grenzen abgewiesen wurden. Was hätte ein Recht auf Asyl für sie bedeutet?
Dieser Vorspann musste sein, weil er für unser Thema wichtig ist. Für die Demokratie, ihre Verteidigung, ihren Erhalt und ihre Zukunft. Also für alles, was Weidel und Höcke bekämpfen.
Konstitutiv für die Demokratie, so heißt es, sei eine freie Presse, unterlegt durch Artikel 5 des Grundgesetzes: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Eine Zensur findet nicht statt." Immer wieder taucht auch der Begriff "Vierte Gewalt" auf, der impliziert, dass die Presse staatliches Handeln nicht nur begleiten, sondern auch kontrollieren soll. Nicht zu vergessen den Auftrag, an der Willens- und Meinungsbildung der Bevölkerung mitzuwirken.
Boulevard und Banalität prägen das Bild
Gestatten Sie mir eine kleine Geschichte aus dem Reich der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), zu der unter anderen die "Süddeutsche Zeitung", die Stuttgarter Blätter, die "Rheinpfalz" – und der "Schwarzwälder Bote" gehören. Ich rede hier vom zweitgrößten Tageszeitungskonzern in Deutschland.
In den vergangenen Wochen haben die Kolleginnen und Kollegen der beiden mittlerweile zusammengelegten Stuttgarter Zeitungen immer wieder gestreikt. Zurzeit sind sie beim insgesamt 19. Streiktag angelangt. Warum sie das tun, lesen sie in der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" nicht. Zum einen setzen sie sich für Kolleginnen und Kollegen ein, die in tariflosen Gesellschaften arbeiten, zum andern haben sie wieder einmal eine Sparrunde vor Augen, die Dutzende von Arbeitsplätzen kosten wird. Ich nehme an, dass Ihnen diese Geschichten bekannt vorkommen. Beim "Schwarzwälder Boten" gab es einst den längsten Streik in der deutschen Mediengeschichte. Mehr als 100 Tage.
In zehn Jahren habe er vier Entlassungswellen erlebt, berichtet der Betriebsratsvorsitzende in Stuttgart, und jedes Mal mit der Begründung, das müsse sein, damit das Unternehmen zukunftssicher aufgestellt sei. Selbstverständlich weiterhin mit Qualitätsjournalismus, der allerdings in vielerlei Hinsicht neu definiert, sprich den Bedürfnissen des modernen Menschen angepasst werden müsse. Dass diese Bedürfnisse häufig in der Bauchgegend angesiedelt werden, wird niemandem entgehen, der diese Zeitungen liest. Boulevard und Banalität prägen das Bild.
Das Entlassen von Personal erscheint den Eigentümern dieser Produkte als einzige Möglichkeit ihrer Existenzsicherung, die wiederum auf der Basis veralteter Annahmen beruht. Die Lizenz der Alliierten zum Zeitungsdruck war eine Lizenz zum Gelddrucken, die Profitrate exorbitant – bis zur Jahrtausendwende, bis das Internet so weit gediehen war, dass es zum bevorzugten Platz für die Anzeigen wurde und die sogenannten sozialen Medien zur Gratisbörse für Information und Unterhaltung aufstiegen.
Bei Ihnen hier in Rottweil konnten Sie diesen Prozess realiter beobachten. Ich meine damit nicht den Umfang des anschwellenden Vermögens, sondern die Sicherung desselben. Soll heißen: Die Schließung des "Schwarzwälder Volksfreund" 2004, der Lokalausgabe der "Schwäbischen Zeitung" – bei der ich einst volontiert habe, wie der NRWZ-Herausgeber Peter Arnegger. Aber das nur nebenbei.
Gilt das Credo der Aufklärung nur für die anderen?
Heute würde man den Vorgang, der einer Nacht- und Nebelaktion glich, als Gebietsbereinigung nach Gutsherrenart bezeichnen, tat der "Schwarzwälder Bote" in Trossingen doch dasselbe mit seinem Lokalblatt, also Laden dicht, und zack waren beide Verlage an diesen Orten etwas, was Kapitalisten immer sein wollen: Sie waren Monopolisten. Was ihre Kundschaft anbelangt, blieben sie wortkarg, sie durfte über die Gründe rätseln und sich fragen, ob das Credo der Aufklärung, das bürgerliche Zeitungen gerne vor sich hertragen, nur gilt, wenn es um andere geht.
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