Das kommt nicht von ungefähr: Keines der digitalen Geschäftsmodelle hat bisher nach Wunsch funktioniert, nur der analogen Weinhandel, den Gayer mit seiner "Württembergischen Weinmeisterschaft" zu einer Dauerwerbesendung in der "Stuttgarter Zeitung" entwickelt hat. In dieser Lage, klagt das Management, sei ein Tarifvertrag für die ZGS "nicht darstellbar".
Der dritte Bruch spiegelt sich in der Spaltung der Redaktion wider. Hier geht es nicht nur um die Jungen in der ZGS und die Alten bei den StZN, viel mehr um den tiefen Graben zwischen Oben und Unten. Die Beletage hat sich in ihrer Parallelwelt eingerichtet, findet prinzipiell alles großartig, was ihr einfällt oder von Transformationsaposteln eingeflüstert wird. Die gedruckte Zeitung liegt schon auf der Resterampe, obwohl sie immer noch 85 Prozent des Umsatzes bringt, das Zauberwort heißt Künstliche Intelligenz (KI) und verspricht Wunderbares: "KI Sophi" kann bereits ganze Seiten erstellen, mit noch kleinen Macken, aber verbunden mit großen Ängsten. Sie sollen sich schon mal Gedanken machen, was sie in zwei Monaten zu tun gedenken, hören Mediengestalter:innen und Editor:innen in der Redaktion, die für das Redigieren der Texte zuständig sind. Bis zu 40 Arbeitsplätze, befürchtet der Betriebsrat, stünden hier zur Disposition.
Der vierte Bruch ist ein kommunikativer. Das notorische Duzen hilft nicht weiter, wenn das Verhältnis zur Wahrheit taktischer Natur, die innere Emigration längst vollzogen ist. Wenn ständig von Wertschätzung die Rede ist, weil "ihr für exzellenten Lokaljournalismus" brennt, wenn die Chefredaktion bei der Weihnachtsfeier behauptet, sie sei stolz auf ihre tapfere Truppe und gerade mal ein paar Hände voll kommen, wenn sie gemeinsam mit dem Betriebsrat eine zukunftsfähige Lösung anstreben wollen – "in Eurem Sinne" – dann ist das Lachen bitter.
Und jetzt brauchen die Chefs noch Unterchefs
Und als wär's noch nicht genug, hält die Chefredaktion eine weitere Überraschung bereit. Sie braucht weitere Führungspersonen. Gesucht werden sechs "Managing Editors", die zwischen Chefredaktion und Editor:innen sitzen, die Thementeams anleiten, und die StZN zur "zukunftsgewandten Stimme" der Stadt machen. Damit seien sie eine Entlastung für die Topkräfte, heißt es, und das wiederum bedeutet nichts anderes als die Rückkehr zum Prinzip der Ressortchef:innen, dessen Abschaffung vor drei Jahren als revolutionäre Tat verkauft wurde.
Sei's drum, Geschwätz von gestern, aktuell drohen Dorfs & Co. mit einer großen Digitaloffensive, die direkt auf den Bauch der Userinnen und User zielt. Die neuen Führungsfiguren (für die offensichtlich Geld vorhanden ist, aber das nur nebenbei) sollen "multimediale Erlebniswelten rund um unsere Top Audiences" aufbauen. Mit der Haus- und Hofberichterstattung rund um Daimler und Porsche klappt das schon ganz gut, mit Uwe Bogens Streifzügen durch die mystische Welt der Stars und Sternchen und Holger Gayers nutzerzentrierten Weinverkostungen noch besser.
Hilfreich wird auch die Eingrenzung des Versuchsfelds sein. Die Rede ist nicht mehr von der führenden Regionalzeitung, die auch im Kanzleramt gelesen wird, jetzt lautet die Losung: Wir bieten "exzellenten, modern erzählten Lokaljournalismus". Verkündet wird sie von der neuen Digitalchefin Johanna Bruckner, die nahe an der Lebenswirklichkeit ihrer Kundschaft sein und sie "inspirieren" will. Assistiert wird die gebürtige Filderstädterin von Joachim Dorfs ("Vergesst Print"), der zusammen mit ihr neuerdings für das Digitalgeschäft verantwortlich ist.
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Henriette Schaf
vor 3 Wochen