Puh, ist das jedes Mal ein Stress mit der besinnlichen Weihnachtszeit. Überfüllte Warenhäuser, enormer Termindruck und dann auch noch das Geschenk für Oma Erna vergessen! In all der Aufregung kann es schon mal passieren, dass selbst ein passionierter Profigrinser vergisst, die Mundwinkel hochzuziehen. So wirkte der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper beim weihnachtlichen Grußkartenunterzeichnen etwas zu konsterniert für den feierlichen Anlass. Und so ist im Instagram-Clip zum Arbeitsnachweis im Hintergrund die Regieanweisung zu hören: "grinsen!" Der Schultes tut wie ihm geheißen und versprüht doch noch ein Zeichen der Zuversicht und des Frohsinns.
Selbst der Tod wirkt gleich viel netter, wenn er nicht mit einem verkniffenen Mund präsentiert wird. Und so ist die Nachricht vom endgültigen Aus der Karlsruher Majolika-Manufaktur vielleicht einen Ticken leichter zu ertragen, weil eine:n auf dem Werksgelände keramische Totenschädel angrinsen. Wobei: Eigentlich ist der ganze Vorgang überhaupt nicht lustig, aber manchmal speist sich Gelächter ja auch aus Verzweiflung. Nach über 120 Jahren Geschichte ist den letzten Beschäftigten zum Jahresende gekündigt worden, der Betrieb eingestellt, final herabgewirtschaftet von einem Möchtegern-Benko, der es eher auf das schicke Grundstück abgesehen hatte als auf die Keramikproduktion. Wann der Immobilienunternehmer Christoph Gröner zuletzt gelacht hat, ist indessen unbekannt. "Wenn Sie 215 Millionen haben und schmeißen das Geld zum Fenster raus, und dann kommt's zur Tür wieder herein", triumphierte er noch 2018. Inzwischen scheint seine Gröner Group vor der Pleite zu stehen. Die Probleme der Majolika hatte Autor Florian Kaufmann im Februar 2023 in Kontext öffentlich gemacht. Für die aktuelle Ausgabe hat er eine umfangreiche Chronik des Niedergangs verfasst.
Auch nicht ganz so sehr nach oben wie die Mundwinkel des Oberbürgermeisters weist der Kurs des Stuttgarter Pressehauses – jedenfalls für deren Beschäftigte. Die Stimmung in der Belegschaft ist miserabel, nicht erst seit dort am 16. Dezember eine Mail verschickt wurde, die Langgediente wechselweise einen Tabubruch oder eine Kriegserklärung nennen. Die Chefetage zeigt sich "zutiefst befremdet" über den Betriebsrat, weil der zu Streiks aufrufe, obwohl er doch die wirtschaftliche Lage kenne. Weil die Berichterstattung über diese Vorgänge in den eigenen Blättern recht mager ausfällt, hilft Kontext gerne nach.
Ein unschönes Weihnachtsgeschenk gab es auch für die Mieterinnen und Mieter im Bohnenviertel, die bei der Vonovia wohnen: Ihre bislang günstigen Sozialwohnungen fallen aus der Preisbindung, was Deutschlands frechster Immobilienkonzern zum Anlass nehmen wird, kräftig aufzuschlagen. Was macht eigentlich die Stuttgarter Verwaltung? Ach ja, davon hatten wir's ja schon …
Damit die Kontext-Lektüre zum Jahreswechsel nicht in lauter Heulkrämpfen mündet, soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden, dass es in Stuttgart auch noch wirklich schöne Formen des Zusammenlebens gibt: etwa den Häkelkreis im befreundeten Kulturcafé Merlin, in dem ein Dutzend Frauen und Männer zusammen an Textilkunst arbeiten, um das gemeinsame Viertel zu verschönern. "Was in den sozialen Medien stattfindet, ist nicht real", sagt Merlin-Chefin Annette Loers über die kübelweise Kübeleien, die dort ausgeschüttet werden. Dass es noch gute Nachbarschaft gibt, ist doch mal eine frohe Botschaft. Und damit wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, schöne Festtage und einen guten Start ins neue Jahr. Vergessen Sie nicht, hin und wieder zu grinsen!
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!