Immerhin scheint der Altverleger Hans-Ulrich Ziegler es geschafft zu haben, sich auch weiterhin die Mieteinnahmen der Redaktionsräume zu sichern. Wie intern bekannt gegeben wurde, wird der "Schwarzwälder Bote" noch in diesem Herbst mit seiner neu geschaffenen Lokalredaktion von Villingen nach Schwenningen umziehen. Dort soll sie das von der "Neckarquelle" Ende 2013 bezogene und zuvor aufwendig auch mit öffentlichen Geldern renovierte "Burenhaus" am Schwenninger Marktplatz weiter nutzen, das Altverleger Ziegler über eine Grundstücks-GmbH gehört.
Der "Schwarzwälder Bote" hatte mehrfach eine Stellungnahme zu allen hier angesprochenen Sachverhalten zugesagt. Die Geschäftsleitung versprach, einen Katalog von 28 Fragen und alle weiteren Nachfragen von Kontext zu beantworten. Am Ende jedoch verweigerte der "Schwabo" jegliche Auskunft. Warum, ist unklar. Vielleicht lag es daran, dass mit einem Mal die Staatsanwaltschaft und das Insolvenzgericht den Sachverhalt prüfen?
Der Zeitungskonzern SWMH ist unersättlich
Die Verschwiegenheit mag man als unangemessen betrachten für ein Medium, das damit wirbt seit seiner Gründung 1835 als "große regionale Tageszeitung" für "bedeutende Informationsdienstleistung in Baden-Württemberg" verantwortlich zu sein. Es ist aber die übliche Haltung von Verlagshäusern, die sich in eigener Sache oft verschlossener als ein Schweigekloster geben. Mit Information, Transparenz und Wahrhaftigkeit in eigener Sache hat man es meist nicht so sehr.
Eine Marktbereinigung wie im Fall von Villingen-Schwenningen ist für Konzerne wie die SWMH und ihren Gesellschafter "Schwarzwälder Bote" mittlerweile ohnehin Alltagsgeschäft. Für die heute rund 35.000 Einwohner Schwenningens und seine Umgebung aber ist der Verlust groß. Denn die "Neckarquelle" war keine Lokalzeitung wie andere.
Das lag zuvorderst an dem legendären, langjährigen Redaktionsleiter Karl Rudolf Schäfer, der mehr als 40 Jahre die Verantwortung für die Zeitung getragen hatte. Da er sich von der "Südwest-Presse" in Ulm nichts sagen lassen musste, sondern als lokaler Chefredakteur die Inhalte und Ausrichtung selbst bestimmten konnte, hat er nach und nach eine kleine, feine Zeitung erschaffen. Daneben hatte Schäfer noch Zeit, die Journalistenausbildung des Deutschen Journalisten-Verbandes in Stuttgart aufzubauen und in Hohenheim über Jahrzehnte Seminare für den journalistischen Nachwuchs zu geben.
Die "Neckarquelle" verwöhnte zu Schäfers Zeiten und lange danach ihr Publikum täglich mit einer lokalen Seite drei und einem Kommentar. Dazu gab's jeden Samstag ein großes Interview nicht nur mit Lokalgrößen und einen Leitartikel zu dem wichtigsten Thema der Woche. Ein Markenzeichen war auch immer das kleine, streiflichtartige Fundstück namens "Vom Tage" auf der ersten Lokalseite. Neben den vielen exklusiven Geschichten aus der Doppelstadt und ihrer Umgebung stellte das kleine Team aus acht Redakteurinnen und Redakteuren regelmäßig eine lokale Kulturseite, jede Woche eine Kinderseite und zum Wochenende eine Kirchenseite zusammen.
Das war wohl auch nötig in einer landesweit einmaligen Konkurrenzsituation. Viele Jahre buhlten in der 1972 vereinigten Doppelstadt vier Zeitungen um die Gunst der 85.000 Einwohner. Als erste musste Ende der 1990er-Jahre die "Badische Zeitung" in Villingen die Segel streichen. Nun teilen sich der "Schwarzwälder Bote" und der in Villingen dominierende "Südkurier" den immer mehr schrumpfenden Lesermarkt auf. Da die Leserschaft solcher Regionalzeitungen mittlerweile ein Durchschnittsalter von rund 70 Jahren erreicht hat und niemand weiß, wo neue und junge Leute herkommen sollen, dürfte der Schrumpfungsprozess noch lange nicht an sein Ende gekommen sein.
In der "Neckarquelle" ist jetzt "Schwabo" drin
Bei der neuen "Neckarquelle" sind die Folgen schon jetzt spürbar. Seit der "Schwabo" übernommen hat, sind Kultur-, Kinder- und Kirchenseite verschwunden. Die neue Geschäftsleitung hat sie für überflüssig erklärt. Die Abonnenten sehen dies anders, wie die vielen Kündigungen zeigen. Denn die Schwenninger Leser ärgern sich, dass sie statt ihrer gewohnten "Neckarquelle" den Inhalt des "Schwarzwälder Boten" vorgesetzt bekommen, wo oft viel über Villingen und seine umliegenden Gemeinden steht, aber für Schwenningen am Ende nur eine Seite übrigbleibt. Immerhin: der "Schwabo" erscheint im gewohnten Grün und die "Neckarquelle" in ihrem Blau, womit aber auch schon der wesentliche Unterschied markiert ist.
Es verwundert wenig, dass der "Schwabo" die meisten der knapp 30 "Neckarquelle"-Angestellten für überflüssig ansah. Von der Redaktion durften praktischerweise nur die beiden Redakteurinnen bleiben, die den Betriebsrat repräsentierten. Allerdings mit neuen und weniger attraktiven Arbeitsverträgen ausgestattet, wie zu hören ist. So hält man den Widerstand überschaubar.
Mit Redaktionsleiter Ralf Trautwein und seinem Stellvertreter Berthold Merkle mussten weitere zwei Redakteure und eine Redakteurin sowie alle noch verbliebenen Mediengestalter, Anzeigenvertreter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle gehen oder bekamen neue Stellen zu schlechteren Konditionen angeboten.
Die Gekündigten hingegen zogen vors Arbeitsgericht, um auf eine anständige Abfindung oder eine Wiederanstellung zu klagen. Dies sogar mit Aussicht auf Erfolg. Denn vor Gericht soll der "Schwarzwälder Bote" spätestens bis Ende Oktober darlegen, warum er zwei Redakteurinnen weiterbeschäftigt, andere Redakteure aber nicht. Die Arbeitsrichter wollen auch wissen, nach welchen Kriterien gekündigt wurde. Warum die einen, aber die anderen nicht. Es dürfte für den "Schwarzwälder Boten" schwer werden, mit einer Betriebsaufgabe zu argumentieren. Es kommt ja weiter jeden Tag eine Zeitung heraus, die "Neckarquelle" heißt, aber nicht mehr die "Neckarquelle" ist.
1 Kommentar verfügbar
gerhard manthey
vor 1 WocheHat das Bundeskartellamt keine Prüfung zur Übernahme vorgenommen? Gab es dazu eine Stellungnhahme oder Auskunft?
Haben die Betriebräte ( m/w) keine Prüfung der Sozialplanpflichtigkeit vorgenommen? Gabs dazu keine Auskunft?
Zu den Wenigen, die weiter in Lohn und Brot…