Für Printprodukte werden die Auswirkungen unterschiedlich bewertet. Einigkeit besteht darin, dass es längst nicht mehr um Zukünftiges, sondern um die Gegenwart geht. "Die Paste ist aus der Tube", schreibt die Deutsche Presse-Agentur (dpa) überraschend offenherzig und stellt fest: "Wir können den Risiken und Herausforderungen Künstlicher Intelligenz nur begegnen, wenn wir die vielen Chancen nutzen, die sich aus dem Einsatz dieser innovativen Werkzeuge ergeben." Fakt sei, "dass KI gekommen ist, um zu bleiben", schreibt die Agentur mit einer Tageszeitungsreichweite in Deutschland von 95 Prozent.
Zum Beispiel verwenden die Dortmunder "Ruhr Nachrichten" neue Technik. Seit fast einem Jahr sind in deren zwölf Lokalredaktionen sogenannte KI-Reporter:innen im Einsatz. "Losgelöst von anderen Aufgaben", wie Jens Ostrowski erläutert, produzieren sie Inhalte, suchen Themen und ergiebige Quellen – und sie bedienen sich dabei der Hilfe von KI. Eben erst hat den 62-Jährigen der Branchen-Dienst Kress zum "Chefredakteur des Jahres" gekürt, weil er "eindrucksvoll zur Transformation beiträgt, etwa durch dateninformiertes Arbeiten, das sich an den Bedürfnissen der Leser orientiert". In einem Interview erklärt Ostrowski den "Optimalfall", innerhalb von 30 Minuten eine 200 Zeilen lange Geschichte erstellt zu haben, "die nicht nur hilft, die Zeitung mit gutem Content zu füllen, sondern die auch digital funktioniert". Das Prinzip: "Wir schauen, wie wir die Inhalte aufwerten können."
Im vergangenen Herbst hat der deutsche Presserat die für mit menschlicher Intelligenz erstellten Inhalte auf KI erweitert: "Wer sich zur Einhaltung des Pressekodex verpflichtet, trägt die presseethische Verantwortung für alle redaktionellen Beiträge, unabhängig von der Art und Weise der Erstellung. Diese Verantwortung gilt für künstlich generierte Inhalte ebenso." Zusätzliche Änderungen im Pressekodex, etwa eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Texte, seien "derzeit nicht erforderlich", weil es für die ethische Bewertung von Beschwerden keine Rolle spiele, wer mit welchen Hilfsmitteln einen Beitrag erstellt hat. Die presseethische Verantwortung, zum Beispiel für die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht, liege weiter uneingeschränkt bei den Redaktionen, heißt es.
Allein Bilder, nicht aber mit KI erstellte Texte müssen danach gekennzeichnet werden. Eine einschlägige Rüge vom Dezember 2023 wirft ein grelles Licht auf die Problematik über Bilder hinaus. Die Zeitschrift "Lisa" des Burda-Verlags hatte 99 Pasta-Rezepte zum Nachkochen mit Hilfe von Software generiert. Nach Ansicht des Presserats hätten Illustrationen gekennzeichnet werden müssen. Der Verzicht habe "zu einer Irreführung der Leserinnen und Leser geführt". Hinsichtlich der Rezepte wurde kein Verstoß festgestellt, weil – die Katze beißt sich ganz ohne KI in den Schwanz – "in Bezug auf Texte keine Kennzeichnungspflicht besteht".
Das Publikum will Transparenz und klare Regeln
Über Letztere wird ebenfalls schon seit Längerem diskutiert. "Ob KI den Journalismus und die Demokratie vorantreibt oder zersetzt, liegt in der Hand des Gesetzgebers", heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Journalistenverbands (DJV), "denn Journalismus und Gesellschaft brauchen Leitlinien für einen klugen, gesunden Umgang mit diesem Werkzeug – so schnell wie möglich." Auch in einer Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen zur Akzeptanz von KI in der Medienbranche werden Kennzeichnungs- und Rechenschaftspflichten verlangt. Alle Landesmedienanstalten haben im vergangenen Frühsommer 3.013 Personen befragt, unter anderem zur Kennzeichnung von Inhalten. 70 Prozent forderten Transparenz und klare Regeln – in der Werbung ebenso wie im Journalismus.
Manche Praktiker:innen stellen sich vor, den Spieß umzudrehen und weit überwiegend mit menschlicher Intelligenz erstellte Texte mit einer eigenen Kennzeichnung zu versehen. So könnten sogar neue Geschäftsmodelle wie Pay-Walls höher gezogen und entsprechende Inhalte teuer angeboten werden. Jan Georg Plavec, Leitender Redakteur für Datenjournalismus und Datenprojekte der "Stuttgarter Zeitung"/"Stuttgarter Nachrichten", hat kürzlich in einer Web-Debatte die Idee entwickelt, "handgemachtem Premiumjournalismus" eine Sonderstellung einzuräumen. Den "menschlichen Faktor" sieht er "garantiert, solange Menschen mit Profil der Redaktion erhalten bleiben". Dort wird aber mitunter am Personal gespart.
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bedellus
vor 2 Wochen