Die Synagogen brannten. SA-Männer schlugen die Schaufensterscheiben von jüdischen Geschäften ein. Sie verhafteten die Besitzer und raubten sie aus. Viele Menschen jüdischer Herkunft wurden festgenommen, deportiert und ermordet. Waren Jüdinnen und Juden im "Dritten Reich" auch schon vorher schikaniert und ausgegrenzt worden, so musste nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 jedem klar sein, dass sie im NS-Deutschland nicht erwünscht waren. Dass ihr Leben bedroht war.
Ulrich Alexander Boschwitz, Sohn eines jüdischen Vaters und einer protestantischen Mutter, befand sich da schon nicht mehr in Deutschland. Er war 1935 mit seiner Mutter nach Schweden emigriert, zog über Norwegen, Frankreich, Luxemburg und Belgien schließlich weiter nach England. Die Novemberpogrome hat er zwar nicht selbst erlebt, aber er konnte sich lebhaft vorstellen, wie es jüdischen Menschen in seinem Heimatland erging. In Belgien schrieb er 1938 seinen Roman "Der Reisende", der wenig später in England, in Deutschland jedoch erst 2018 erschien. Er erzählt vom angesehenen, jüdischen Geschäftsmann Otto Silbermann, der in der Pogromnacht aus seinem Haus vertrieben wird und von da an in Zügen unterwegs ist in einem Land, das er nicht verlassen darf.
László Bagossy, Regisseur und Intendant des Stuttgarter Theaters Tri-Bühne hat Boschwitz' Roman für die Bühne adaptiert. Das Besondere: Er nutzte Künstliche Intelligenz (KI) für die Projektionen. Premiere war Ende Juni, nun folgen zwei weitere Aufführungen am Freitag und Samstag. Manuel Krstanovic steht als Otto Silbermann 90 Minuten lang allein auf der Bühne. Doch er ist umgeben von anderen Figuren: Mitreisende im Zugabteil, Beamte in Uniform, Geschäfts- und Gesprächspartner:innen. Sie erscheinen als statische, auf Leinwand projizierte Bilder, sie geben dem Raum Tiefe und lassen die Zuschauer:innen in das Geschehen eintauchen.
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