Der unscheinbare Klotz in der Handwerkstraße, Stuttgart-Vaihingen, lässt wenig von den Ambitionen erahnen, die im Inneren gehegt werden. Hier teilt sich die 2018 gegründete Firma Qant einen vierstöckigen Bau mit einer Unternehmensberatung und einem Postdienstleister. Verglichen mit den Protzpalästen von Techgiganten wie Google, Apple oder Nvidia ist das nicht einmal eine Tüftlergarage. Darin weist Physiker und CEO Michael Förtsch auf einen metallischen Schrank mit Glasfront: Er beherbergt einen Prozessor, der mit Licht arbeitet und, wie Förtsch sagt, die Welt der Computer auf den Kopf stellen könnte.
Wo Elon Musk den guten Ruf der Techvisionäre nachhaltig diskreditiert hat und sich das substanzlose Prahlen als allgemeine Kulturtechnik etablieren konnte, verwundert die nüchterne Art des Vortrags: Was Förtsch erzählt, klingt im Grunde etwas größenwahnsinnig, aber er wirkt dabei weniger wie ein Crypto-Bro, der mit spektakulären Renditeversprechen für dubiose Investments ködert, als vielmehr wie ein Wissenschaftler, der sachlich berichtet, welche Szenarien er nach seinen Kalkulationen am wahrscheinlichsten hält.
Dabei wirkt der Arbeitsnachweis des Lichtcomputers auf den ersten Blick ähnlich unspektakulär wie der Firmensitz: In einer (per Cloud öffentlich zugänglichen) Demo soll eine Künstliche Intelligenz handschriftliche Zahlen identifizieren. Der Computer rechnet eine Weile, spuckt dann ein Ergebnis aus und beziffert in Prozenten, wie sicher er sich ist. Das bekommen andere auch hin – bemerkenswert sind die zwei Balken darunter, die den Strombedarf anzeigen. Demnach hätte ein herkömmlicher Computerchip für die gleiche Operation etwa 2.300 Femtojoule (Energie-Messeinheit) verbraucht. Der Photonen-betriebene Qant-Chip kommt auf 76 Femtojoule, also ein Dreißigstel.
Das ist durchaus eine Hausnummer, die ein gewisses Potenzial erkennen lässt. So behauptete Google zwar im jüngsten Umweltbericht des Unternehmens, durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz könnten die globalen Treibhausgase bis 2030 um fünf bis zehn Prozent reduziert werden: indem die Technik dabei hilft, Ressourcen in der Güterproduktion oder Forstwirtschaft effizienter zu nutzen und beispielsweise beim Katastrophenschutz genauere Vorhersagen zu treffen. Momentan allerdings steht der Vision einer sauberen Zukunft ein extremer Energiehunger gegenüber: Zwei Bilder durch eine KI generieren zu lassen, verbraucht in etwa so viel Strom wie ein durchschnittlicher Smartphone-Akku speichern kann; bei 30 Fragen an ChatGPT muss ungefähr ein halber Liter Wasser verdampft werden, um die in Rechenzentren entstehende Hitze herunterzukühlen. Die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert, dass sich der Strombedarf europäischer Rechenzentren bis 2030 beinahe verdreifachen werde und damit rund fünf Prozent des gesamten europäischen Stromverbrauchs ausmachen würde – zu viel, als dass es allein durch erneuerbare Energien zu decken sei. Und wie die "Washington Post" berichtet, steht in den USA bereits die Reaktivierung alter Kohlekraftwerke auf der Tagesordnung, um den KI-Boom zu speisen.
Förtsch hält diesen Energiehunger für wahnsinnig ineffizient – und verweist aufs Gehirn: Das sei auch rechenstark, aber begnüge sich mit einem Müsli oder einer Pizza, "dann läuft die Kiste da oben ohne eigenes Kraftwerk". Wenn die Natur das hinkriegt, bedeutet es für Förtsch, dass es bei computergestützten Berechnungsmethoden erhebliche Einsparpotenziale geben muss. Bei Qant wollen sie diese erschließen, indem sie sich die quantenmechanischen Eigenschaften von Photonen zunutze machen. Das Firmenmotto erinnert an eine Esoterikmesse: Sie wollen einen Paradigmenwechsel hinsichtlich "der Kraft des Lichtes" anregen.
An den Grenzen der Physik
Zu Beginn seines Studiums hatte Förtsch eigentlich Lehrer werden wollen. Die Leidenschaft für Wissensvermittlung wird deutlich, wenn er mit vielen Gesten und Gleichnissen erklärt. Seit der Erfindung des Computers werde zu wenig vom Problem aus gedacht, meint er mit ausgebreiteten Armen – man begnüge sich meist, vorhandene Lösungsansätze an neue Fragen anzupassen. Das vergleicht er mit einem Hammer, der wunderbar für Nägel geeignet sei. "Wenn Sie eine Schraube in die Wand hämmern wollen, dann bekommen Sie das irgendwann auch hin. Nur ist es eben wahnsinnig ineffizient." So sei der Computer von 1967 als Werkzeug zur Rechenaufgabenerleichterung konzipiert worden, ohne dass jemand die Zukunft der Künstlichen Intelligenz im Sinn haben konnte. Dabei würden nun die traditionellen Pfade der Computertechnik an die Schranken ihrer Entwicklungsfähigkeit stoßen.
Die Grundlage traditioneller Prozessoren bilden unzählige Transistoren, die als winzige Schalter genau einen von zwei binären Zuständen einnehmen können. Dieser Rechenweg erfordert zunächst eine recht umständliche Übersetzung aller zu bearbeitenden Probleme ins Digitale, etwa die Transformation von Zahlenwerten in lange Folgen von Einsen und Nullen, die dann beispielsweise eine dezimale "27" als binäre "11011" darstellen. So zu rechnen, braucht viele Schalter: Für die meisten Multiplikationen sind circa 1.200 Transistoren nötig, das Wurzelziehen gelingt ab etwa 7.700 Transistoren, und die gesamte Arbeit moderner Computer basiert auf einer digitalen Simulation der realen Welt.
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Tierk
vor 2 Wochen