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Biosprit

Sonne im Tank

Biosprit: Sonne im Tank
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Das Unternehmen Choren im Erzgebirge hat schon vor zwanzig Jahren Sprit aus Holzabfällen hergestellt. "SunDiesel" tauften Daimler, VW und Shell das Kind – und ließen es baden gehen. Die Entwicklung ging weiter zu E-Fuels. Die lösen aber auch nicht alle Probleme.

Da war sich der Erfinder sicher: "Der Grundstein der Nachhaltigkeit ist eine solare Stoff- und Energiewirtschaft." So die Erklärung von Bodo Wolf, Gründer des Unternehmens Choren im sächsischen Freiberg auf einer Pressekonferenz von Daimler-Chrysler in Stuttgart. Das war im April 2002 und Anlass war eine Vereinbarung mit Daimler und VW, die sich am Bau einer Pilotanlage zur Herstellung eines Kraftstoffs aus nachwachsenden Rohstoffen beteiligen wollten, den Wolf entwickelt hatte. Die Autohersteller wollten diesen Kraftstoff testen.

Biomass to Liquid (BtL) nannte sich das: eine ganz neue Idee. Biodiesel aus Rapsöl erfreute sich bereits großer Beliebtheit, auch weil er steuerbegünstigt war. Allerdings ließ sich die Produktion nicht beliebig steigern. Zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Anbauflächen waren 2006 schon für Raps reserviert. Ohne importiertes Sojaöl ließ sich die Nachfrage nicht mehr decken. Und die Klimabilanz war fragwürdig, da durch die Verwendung von Stickstoffdünger Lachgas (N2O) freigesetzt wurde, zwanzigmal klimaschädlicher als CO2.

Die Geschichte des Unternehmens Choren zeigt wie ein Lehrbeispiel, dass die als Kapitalgeber unverzichtbaren Automobil- und Mineralölkonzerne klimafreundliche Entwicklungen eben nicht vorantreiben, weil sie wenig geneigt sind, von ihrem gewohnten, fossilen Geschäftsmodell abzuweichen. Aber könnte aus Pflanzen hergestelltes Dieselöl, könnten heutige E-Fuels wirklich einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Choren steht für Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O), die Elemente, aus denen sich das Dieselöl zusammensetzt, und für renewable, abgekürzt ren, übersetzt erneuerbar. Anders als fossile Energieträger, die bei der Verbrennung CO2 freisetzen, das Pflanzen vor Millionen Jahren der Atmosphäre entzogen haben, können nachwachsende Rohstoffe, so die Überlegung, im Idealfall ebenso viel CO2 aufnehmen, wie bei der Verbrennung in die Atmosphäre gelangt: ein Kreislauf.

Anfangs beworben, später fallengelassen

Bodo Wolf, 1940 geboren, war wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Brennstoffinstituts in Freiberg, des zentralen Energieforschungszentrums der DDR. Zuvor hatte er zwanzig Jahre im Steinkohlebergbau gearbeitet. Früher als andere erkannte er, dass fossile Energie keine Zukunft hat. Nach dem Vorbild der Pflanzen wollte er aus Luft, Wasser und Sonnenlicht Kraftstoffe herstellen, kam damit freilich im Arbeiter- und Bauernstaat nicht voran. Doch auch nach der Wende erging es ihm nicht viel besser. Als er Mitte der 1990er-Jahre seine Ideen auf einer Konferenz der Rohstoffindustrie vortrug, erntete er nur Hohngelächter.

Wolf gab nicht auf. 2001 gelang ihm der Nachweis, dass sich aus Holzabfällen, von der bereits seit den 1920er-Jahren bekannten Fischer-Tropsch-Synthese ausgehend, ein synthetisches Dieselöl herstellen lässt, das dem herkömmlichen Diesel in Bezug auf Umwelt und Klima deutlich überlegen ist. In einer Ausschreibung des Bundeswirtschaftsministeriums für erneuerbare Kraftstoffe im selben Jahr erhielt Choren den Zuschlag. Mit Daimler und VW hatte Wolf bereits Kontakte geknüpft. "Als Pionier des Automobilbaus hat Daimler den Anspruch, die Entwicklung von sauberen Kraftstoffalternativen für Verbrennungsmotoren voranzutreiben", ließ das Unternehmen einige Jahre später verlautbaren.

Öl und Gas seien in wenigen Jahrzehnten aufgebraucht, hielt Wolf im Juni 2002, also kurz nach dem eingangs erwähnten Pressetermin bei Daimler, auf einer Strategiekonferenz des World Council for Renewable Energy in Berlin fest: "Darüber hinaus häufen sich die alarmierenden Informationen über den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und über Klimaveränderungen, wofür insbesondere die intensive Nutzung der fossilen Brennstoffe verantwortlich ist."

Die weitere Geschichte des Unternehmens Choren ist schnell erzählt. Daimler und VW bewarben den Kraftstoff unter dem Namen SunDiesel. Eine Probeanlage zur Herstellung von jährlich 13.000 Tonnen war 2003 erbaut und ging 2007 in Freiberg in Betrieb. Shell erwarb ein Drittel der Anteile. Der Mineralölkonzern hatte massive Imageprobleme wegen der Ölpest im Nigerdelta. Bis 2008 entstand eine "Beta-Anlage" für 200.000 Tonnen, die 2010 in Betrieb gehen sollte, ebenfalls am Firmensitz im Erzgebierge. Zum Vergleich: Der jährliche Dieselverbrauch in Deutschland liegt bei ungefähr 30 Millionen Tonnen.

Doch dann häuften sich die Probleme. Shell war bereits 2009 wieder ausgestiegen. Der Hamburger Unternehmer Michael Saalfeld, Mehrheitsgesellschafter des Ökostromanbieters Lichtblick, blieb am längsten. Doch 2011 war Schluss: Choren war insolvent. Zwar gibt es das Unternehmen bis heute, nunmehr unter chinesischer Flagge mit Hauptsitz in Peking, doch das Geschäftsfeld ist nun nicht mehr pflanzenbasierter Diesel, sondern Kohlevergasung.

Eine Frage des Geldes

In Zeitungsberichten liest sich die Geschichte so: Choren hatte viel versprochen, um Investitionen an Land zu ziehen, es hat aber nicht funktioniert. Man kann es jedoch auch anders beschreiben: Ein kleines Unternehmen, das nach der Wende mit drei Mann angefangen hatte, entwickelt ein neuartiges Verfahren, mit dem Potential – nach damaligen Angaben von Daimler – ein Fünftel des Dieselöls, das an die Tankstellen gelangt, sehr viel umwelt- und klimaschonender herzustellen. Um dies zu erreichen, müssen große Mengen hergestellt werden. Dafür braucht es zahlungskräftige Partner.

Problem Kapital

Mit guten Ideen allein ist es nicht getan, es braucht Kapital. Das mussten schon Gottlieb Daimler und seine Erben erfahren, die nach seinem Tod, als das Unternehmen erst richtig groß wurde, nichts mehr zu melden hatten. Jörg Schlaichs Aufwindkraftwerk, das Frachtluftschiff Cargolifter: Manche ökologisch wegweisenden Innovationen kamen nie in Gang, weil Kapitalgeber fehlten oder sich in letzter Minute zurückzogen. Auch die verschiedenen Versuche Derek Ladewigs, mit dem Hamburg-Köln-Express HKX und Locomore Alternativen zur Deutschen Bahn aufzubauen, blieben mangels kapitalkräftiger Investoren in sehr überschaubarem Rahmen, auch wenn ihre Existenz unter der Marke Flixtrain nun nicht mehr gefährdet ist. Das Problem ist, dass sich mit weniger klimafreundlichen Ansätzen in der Regel mehr Geld verdienen lässt.  (dh)

Bis zu 180 Millionen Euro sollen Daimler, VW, Shell und andere in das Projekt gesteckt haben. Ungefähr 18 Milliarden, also das hundertfache, wären nach damaligen Schätzungen nötig gewesen, um tatsächlich zwanzig Prozent des Diesel-Bedarfs zu decken. Wenn ein Konzern wie Shell eine solche Entwicklung vorantreiben will, die im kleineren Maßstab bereits funktioniert, wird er das wohl hinbekommen. Aber Shell ist zuerst wieder ausgestiegen. Wozu Diesel aus Pflanzenabfällen herstellen, wo es doch noch genügend Rohöl gibt? Zum Vergleich: Vor zwei Jahren hat der Konzern 95 Millionen Euro Schadenersatzzahlungen an die Ogoni im Niger-Delta akzeptiert. In Freiberg hat Shell weniger investiert.

Aber hätte der BtL-Kraftstoff, der wiederum nach damaligen Angaben von Daimler die CO2-Emissionen um 90 Prozent reduziert, dem Klima wirklich genützt? Die Antwort lautet: Nicht wenn der Kraftstoff im selben Umfang verfeuert wird wie bisher. Denn selbst zwanzig Prozent des in Motoren verbrannten Dieselöls ließen sich nur dann aus Holzschnitzeln herstellen, wenn diese nicht gleichzeitig auf anderen Gebieten gefragt wären, in "Komfortöfen" etwa oder als Baustoffe, was heute aber definitiv der Fall ist. Zum anderen verschlingt das Verfahren viel Energie, kann also nur dann als klimaschonend bezeichnet werden, wenn diese aus erneuerbaren Quellen, also Wind und Sonne stammt.

Den ersten Punkt hatte Bodo Wolf zum Zeitpunkt der Choren-Insolvenz bereits gelöst. Der Unternehmensgründer war 2005, als Daimler, VW und Shell den SunDiesel zu ihrer Angelegenheit gemacht hatten, wieder ausgestiegen, um seine ursprüngliche Vision umzusetzen, nämlich wie Pflanzen das CO2 aus der Luft als Rohstoff zu nutzen. Mitte der 1990er-Jahre hatten sie ihn dafür ausgelacht. Auch den Konzernlenkern Jürgen Schrempp und Ferdinand Piëch war die Idee allzu abenteuerlich erschienen. So war überhaupt die alternative Idee zustande gekommen, den Sprit aus Holzabfällen zu gewinnen.

Flugzeuge und Schiffe brauchen flüssigen Kraftstoff

Während also Choren 2011 vor der Insolvenz stand, hatte Wolf, im Alter von 70 Jahren, ein neues Startup gegründet. Sunfire nannte sich das Unternehmen, das zunächst im Labor bewies, dass es möglich ist, Kraftstoff aus CO2 zu erzeugen, das mit Hilfe von Wasserstoff (H) in Wasser (H2O) und Kohlenmonoxid (CO) umgewandelt wird, das gemischt mit Wasserstoff zu Dieselöl weiter verarbeitet werden kann. E-Fuels nennt sich das heute. Im November 2014 nahm Sunfire in Dresden die weltweit erste Pilotanlage in Betrieb. CO2 ist in der Luft reichlich vorhanden, dadurch entsteht ja das Klimaproblem. Aber der Wasserstoff muss erzeugt werden. Das gängigste Verfahren ist die Elektrolyse, die Wasser in seine Bestandteile zerlegt. Daher der Name E-Fuels. Zur Herstellung braucht es viel Strom. Das kann nur klimafreundlich sein, wenn der Strom aus Wind- und Sonnenenergie stammt. Für solchen "Ökostrom" gibt es aber viele Abnehmer. Es kann kaum genug hergestellt werden, um den Energiehunger auf allen Gebieten zu stillen.

Mittlerweile werden noch andere Verfahren erforscht, und die Zahl der Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, hat sich vervielfacht. Dazu gehört HIF Global, das kürzlich in Chile die Produktion aufgenommen hat – Kontext hat berichtet. Sunfire wiederum ist an Norsk E-Fuel in Norwegen beteiligt, das im nächsten Jahr die Produktion aufnehmen will. Seinen Schwerpunkt hat das Unternehmen aber inzwischen auf die Elektrolyse verlegt.

Wie bei jeder Energieumwandlung, geht auch bei der Elektrolyse Energie verloren. Sunfire sucht das Verfahren durch Nutzung der Abwärme effizienter zu machen. Unmassen von Strom zu produzieren, um wie gehabt Millionen Tonnen von Sprit zu verfeuern, so wird sich das Klimaproblem trotz allem nicht lösen lassen. Es braucht eine Verkehrswende.

E-Fuels werden trotzdem benötigt. Denn in manchen Bereichen wie der Hochsee-Schifffahrt oder dem interkontinentalen Flugverkehr lässt sich auf flüssige Kraftstoffe gar nicht verzichten.


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2 Kommentare verfügbar

  • Wolfgang Schmidt
    am 17.02.2023
    Antworten
    Am Ende des Artikels „Sonne im Tank“ schreiben Sie: „Denn in manchen Bereichen wie der Hochsee-Schifffahrt oder dem interkontinentalen Flugverkehr lässt sich auf flüssige Kraftstoffe gar nicht verzichten.“
    Zumindest im Bereich der Hochsee-Schifffahrt kamen Segelschiffe Jahrtausende lang bis hin zu…
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