Wie Qant-CEO Michael Förtsch erläutert, würden normale Prothesen etwa 85 von 100 angestrebten Bewegungen korrekt ausführen. Das klinge nach viel, könne aber beispielsweise beim Treppensteigen für erhebliche Probleme sorgen. Er sei überzeugt, mit dem Magnetfeldsensor lassen sich über 99 Prozent Zuverlässigkeit erreichen. Über die vergangenen Jahre sei es bereits gelungen, die Sensorgröße von der eines Schrankes auf die eines Brillenetuis zu reduzieren, und laut Förtsch wäre es möglich, sie weiter auf das Volumen einer Erdnuss zu schrumpfen.
Daneben arbeitet das Start-up an etwas, das der CEO den "Grundstein für eine neue Computertechnologie" nennt und die Revolution gehe diesmal von Stuttgart aus (was der Oberbürgermeister wohlwollend zur Kenntnis nimmt): Denn herkömmliche Halbleiter und Chips würden mit Strom als Medium arbeiten, Förtsch hingegen hält Licht für besser geeignet. Künstliche Intelligenz sei die Zukunft, klar. Aber noch seien die Rechenzentren, die es für den Betrieb von Chat-GPT und Co. braucht, so energieintensiv, dass sie teils eigene Kraftwerke brauchen. "Das menschliche Gehirn ist auch ein Rechenzentrum, aber es kommt morgens mit einer Schüssel Müsli, mittags einer Pizza und abends einer Brotzeit aus", sagt Förtsch. Entsprechend müssten Effizienzsteigerungen möglich sein.
Mit lichtbasierten Chips sei es machbar, den Strombedarf auf ein Dreißigstel zu reduzieren, stellt Förtsch in Aussicht. Als Qant "neulich im Valley" einen Prototyp bei Google und Nvidia präsentiert hat, wären denen "die Kinnladen heruntergeklappt", freut sich Förtsch. Welches Potenzial er sich da verspricht? "Wir wollen Weltmarktführer werden."
Wer so spricht, ist entweder ein Genie oder ein Scharlatan. In Förtschs Fall gibt es keine offensichtlichen red flags: Er promovierte 2015 summa cum laude am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und das Dietzinger Unternehmen Trumpf, das seit der Qant-Gründung eine zweistellige Millionensumme in das Start-up investiert hat, ist auch nicht bekannt dafür, Luftschlössern hinterherzujagen.
Das Rathaus trainiert eine Nopper-KI
Um die Zukunft und ihre Technik ging es auch im Anschluss bei dem IT-Dienstleister GFT, der trotz 12.000 Beschäftigter und 900 Millionen Euro Umsatz beteuert, Mittelstand geblieben zu sein. Glaubhaft gemacht werden soll das anhand der globalen Firmenzentrale, vorzufinden in Stuttgart-Vaihingen, wo nur drei der fünf Stockwerke von GFT selbst genutzt werden.
Die meisten Mitarbeiter:innen, die der insbesondere für Banken tätige Dienstleister "Talente" nennt, talenteln in sogenannten Low-Cost-Countries, vornehmlich in Südamerika. Laut dem geschäftsführenden Direktor Jochen Ruetz sei GFT heute weniger ein deutsches Unternehmen als "eine Latino-Connection" – zum erkennbaren Missfallen von Oberbürgermeister Nopper: "Warum arbeiten nur 300 Mitarbeiter in Stuttgart und wie können es mehr werden?" Mit Blick auf die Lohnkosten gibt Ruetz zu verstehen, dass er Potenziale für weitere Expansion eher in Indien verortet als in der Bundesrepublik.
Ansonsten diskutieren die Delegation um Nopper und der GFT-Experte Viktor Schmalenbach vor allem, wie die Stuttgarter Stadtverwaltung von Künstlicher Intelligenz profitieren könnte. Aus dem Rathaus ist zu hören, dass der Oberbürgermeister fast alle seine Reden selbst schreibt. Das sorgt zwar für ein hohes Maß an Authentizität, nimmt aber auch viel Zeit in Anspruch. Deswegen laufen gerade Versuche, 250 Nopper-Reden in ein Programm einzuspeisen, dem dann hoffentlich eine anständige Imitation gelingt. Die bisherigen Resultate haben den Schultes nicht überzeugt. "Da wurde auf sehr kleiner Flamme gekocht", sagt er. Weil es den Reden an Humor gemangelt habe, seien sie unbrauchbar.
Die Hillers kennen ihre Kühe beim Namen
Den wohl größtmöglichen Kontrast zu den Welten der Quantentechnik und digitalen Finanztransaktion stellte der abendliche Besuch auf dem Milchhof Hiller da. "An mir ist ein Landwirt verloren gegangen", meint Nopper, als er eine Kuh streichelt – allerdings muss Kommunikationsleiterin Kaufmann ihren Chef mehrfach daran erinnern, dass die Fotos nicht zu gestellt aussehen sollten ("Herr Nopper, schauen sie die Kuh an, nicht die Kamera."). Später füttert der Oberbürgermeister ein Tier und seufzt: "Ach, wenn mir doch die Stadträte nur so aus der Hand fressen würden."
Die Hillers nennen ihren Hof gegenüber der Delegation weder ein Familienunternehmen noch rechnen sie sich dem Mittelstand zu. Dabei sind hier viele Generationen auf den Beinen, um den Laden am Laufen zu halten. Thomas Hiller und Christine Knobloch-Hiller arbeiten zwischen 60 und 80 Stunden pro Woche und haben seit Jahren keinen Urlaub gemacht, Tochter Helena arbeitet trotz Ausbildung halbtags mit und ihr Opa ist mit Krücke unterwegs, um beim Vertrieb auszuhelfen. Alle Hillers kennen alle ihre 50 Kühe mit Namen, mit dabei ist süddeutsches Fleckvieh, Allgäuer Braunvieh und rot-weißes Holstein-Rind. Der Vater erklärt, sie könnten durchaus profitabler arbeiten – aber dann würde das Tierwohl drunter leiden.
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