Seine Paradedisziplin ist der Fassbieranstich: Als der frisch gewählte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) im Juni 2021 zum Hammer greift, braucht es nur einen Schlag – und schon kann im Biergarten der Stuttgarter Wirtin Sonja Merz ein rauschendes Fest beginnen. Der höchste Repräsentant der Stadt strahlt über beide Ohren, als er mit Maßkrug in der Hand vormacht, wie sich ein Substantiv steigern lässt: "Bier, gutes Bier, saugutes Stuttgarter Bier." Dazu trällert ein Ballermann-affiner Liedermacher unter dem Namen Hofnarr Luigi: "Ich bin kein Berlusconi, ich hab' keine Millioni / Bin auch kein Ramazotti, bin immer nur bankrotti / Mein alter Fiat Panda, fällt auch schon auseinander / Ich brauch' für Amore kein Auto und kein Geld / Weil es den Signoras bei mir so gut gefällt / In meinem Bunga Bunga Bunga Bungalow / Bungalow, Bungalo-o-ow."
Die Stimmung ist gelöst – und dennoch handelt es sich nur um eine Art Warmlaufen. Das eigentliche Volksfest auf dem Cannstatter Wasen musste erneut wegen Corona ausfallen und so sehr es sich Mühe gibt: Das Biergarten-Substitut ist einfach kein vollwertiger Ersatz. Versammelt haben sich die Massen dann, endlich, im September 2022 und Frank Nopper kann sich einen Kindheitstraum erfüllen: das Fassbier auf dem größten Volksfest Baden-Württembergs anstechen. Der Wasen ist nicht nur zurück, sondern feiert sein 175-jähriges Jubiläum und der Oberbürgermeister betont, dass es sich bei den Feierlichkeiten seit jeher auch um ein "mentales Krisenbewältigungsprogramm" handle.
Und klar, wer könnte etwas gegen Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und Lebkuchen, Achterbahnen und Dosenwerfen, gegen gute Stimmung in schwierigen Zeiten haben? Doch neben dem bierseligen Stuttgart, das in Festzelten gegen Krisen antrinkt, gibt es Teile der Stadtgesellschaft, deren Partylaune abflacht, wenn Volksfeste zu Schlagzeilen führen wie: "12-Jährige in Geisterbahn sexuell belästigt" oder "18-Jährige auf dem Wasen vergewaltigt". Der Gemeinderat ist schon lange dran am Thema und unter Noppers Vorgänger Fritz Kuhn (Grüne) war im Wirtschaftsausschuss einstimmiger Konsens, dass sexistische Darstellungen auf den Stuttgarter Volksfesten nichts mehr verloren haben, weil keine Atmosphäre entstehen soll, die Übergriffe befördert.
Nopper warnt vor der Inquisition
Nur aus der Umsetzung wurde nichts. Als das erste Frühlingsfest seit der Corona-Pause das Wasengelände belebt, ziert viel nackte Haut die Stände, ein schmachtendes Pferd reißt einer Blondine die Kleider vom Leib, Spanner verfolgen das Geschehen interessiert aus dem Gebüsch heraus, ein Lustmolch macht sich mit einer Schere an einem prallen Dekolleté zu schaffen und was wäre der bewaffnete Kampf wilder Amazonen, wenn dabei keine entblößten Nippel zu sehen wären?
2 Kommentare verfügbar
Schmiddi
am 11.05.2023Puffbetreiber, das sind doch die, die…