Offensichtlich wird langsam auch in der Politik erkannt, dass die Entwicklung der Presse bedenklich ist und es diese dritte Säule braucht?
Im politischen Raum ist dieses Bewusstsein in den letzten Jahren glücklicherweise gewachsen. Das ist positiv. Neben der Diskussion um eine Zustellförderung für Printprodukte, für die die Verlegerverbände stark lobbyieren, fragen sich auch immer mehr PolitikerInnen, ob wir nicht auch andere Förderinstrumente für das weitere journalistische Ökosystem brauchen.
Im Berliner Koalitionsvertrag ist der gemeinnützige Journalismus jetzt zumindest aufgenommen. Was muss Ihrer Meinung nach passieren?
Ganz einfach: Der Non-Profit-Journalismus muss Rechtssicherheit als gemeinnützige Unternehmung bekommen und in konkrete Förderprogramme auf Bundesebene aufgenommen werden.
Die Anerkennung von Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig ist das eine, die Förderung mit Steuergeldern das andere. Da stellt sich sofort die Frage der Staatsferne.
Natürlich ist es wichtig, die journalistische Unabhängigkeit zu wahren. Bei der Rudolf Augstein Stiftung fördern wir bewusst keine einzelnen Recherchen, sondern versuchen, das journalistische Ökosystem insgesamt zu stärken. Das tun wir, indem wir Innovationen befördern, die im besten Fall dem ganzen Feld zugutekommen. Wir investieren aber auch in infrastrukturelle Vorhaben. Auch bei staatlicher Medienförderung unterscheiden wir zwischen direkten und indirekten Förderinstrumenten – in vielen Ländern sehen wir inzwischen eine Kombination. Ich denke beispielsweise an Dänemark, Schweden oder Norwegen. Bei direkter Förderung kommt es auf kluge Governance-Strukturen an, die die Unabhängigkeit gewährleisten. Eine konkrete Möglichkeit sind Firewall-Organisationen, die zwischen Förderministerium und Empfänger geschaltet sind und die Mittel nach klaren Kriterien vergeben. In Deutschland könnte eine solche Aufgabe zum Beispiel das Netzwerk Recherche wahrnehmen.
Gemeinnütziger Journalismus bildet sich in Nischen, dort, wo Mangel herrscht. Das Ödland, das vom Stuttgarter Pressehaus zurückgelassen wird, weitet sich aus. Was tun?
Das Publikum merkt, dass seine Zeitung immer dünner wird und überall dasselbe drinsteht. Damit schafft sich der Journalismus selbst ab. Die Qualität geht zurück und irgendwann ist nicht mehr ersichtlich, warum ich als LeserIn immer mehr zahlen soll. Das ist gefährlich. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für das Thema etwa wie in Stuttgart durch die Positionierung der Landräte. Denn es muss deutlich werden, was die Gesellschaft verliert, wenn die journalistische Qualität und Vielfalt leidet. Wenn die vierte Macht im Staat ihrer Rolle nicht mehr gerecht wird. Aus meiner Sicht ist Journalismus ein öffentliches Gut, das es zu schützen gilt. Ich habe von der Daseinsvorsorge gesprochen. Also: Wir müssen uns überlegen, wie sieht ein Mediensystem der Zukunft aus. Und wie sieht eine zeitgemäße kluge Medienpolitik aus, die eben nicht lobbygetrieben ist. Interessenvertretungen traditioneller Medien werden sich kaum für das Entstehen neuer Konkurrenten und Geschäftsmodelle einsetzen.
Ja, soviel ist sicher: Der Bundesverband deutscher Verleger wird nicht für gemeinnützige Projekte kämpfen. Aber das wäre doch auch eine Aufgabe für die Stiftungen im Land. Journalismus scheint für sie eher irrelevant zu sein. Ändert sich das, wenn er als gemeinnützig anerkannt wird?
Wir haben in Deutschland knapp 24.000 Stiftungen, die über ein Milliardenvermögen verfügen. Aber 95 Prozent dieser Stiftungen können ausschließlich gemeinnützige Akteure fördern. Stiftungen schauen also in den Paragraf 52 der Abgabenordnung: Was ist eigentlich gemeinnützig? Und das sind derzeit Kunst und Kultur, Umweltschutz, aber auch Modellflug. Journalistische Organisationen können diesen Status aktuell nur über Umwege erlangen. Einige journalistische Start-ups sagen uns, dass sie diese Unsicherheit nicht eingehen möchten, sich über einen anderen Zweck anerkennen zu lassen. Sie verzichten daher lieber auf die Gemeinnützigkeit. Das bedeutet dann, dass Spenden nicht abzugsfähig sind und Stiftungen sie nicht fördern können. Die direkte Anerkennung der Gemeinnützigkeit wäre deshalb ein wichtiges Signal, um den Wert des Journalismus zu unterstreichen und Wachstum zu befördern. Und StifterInnen würden bei der Gründung ihrer Stiftung darüber nachdenken, ob sie diesen Zweck nicht fördern möchten. Das könnte zu einem Game Changer werden.Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit wäre ein wichtiges Signal, um den Wert des Journalismus zu unterstreichen.
Das dürfte in Ihrem Fall nicht so schwer gewesen sein.
Dass die Rudolf Augstein Stiftung Journalismus fördert, ist wenig verwunderlich, weil unser Stifter selbst Journalist war und sich zeit seines Lebens für Pressefreiheit und kritischen Journalismus eingesetzt hat. Doch von den 24.000 Stiftungen fördern aktuell weniger als 100 Organisationen aus dem Medienbereich. Das wollen wir ändern. Das wäre für viele Neugründungen, für viele Pioniere wie etwa Kontext, ein gutes Signal. Wir hoffen, dass dadurch mehr Geld ins System kommt.
Ein Blick in die Zukunft des Journalismus. Was wünscht sich die Journalistin Stephanie Reuter?
Ich wünsche mir, dass JournalistIn ein Traumberuf bleibt. Der Journalismus braucht die klugsten Köpfe, die leidenschaftlich und kritisch berichten. Das bedeutet, dass es zu keiner weiteren Prekarisierung des Berufs kommen darf. Vor allem aber müssen unsere Redaktionen diverser werden. Journalismus darf keine Frage des Habitus sein. Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten. Das ist mir noch wichtiger als ein gut ausgestatteter Innovationstopf, den wir auch dringend bräuchten.
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Philippe Ressing
am 28.02.2022