Vor sieben Jahren waren die Landräte noch "kleine Könige". Männer von "großer Unabhängigkeit", mit viel "Gestaltungsspielraum", Manager von Konzernvolumina, die "klar über der Milliardengrenze" liegen. So schrieb es die "Stuttgarter Zeitung" und hatte recht damit. Die Herrschaften wachen über tausende von MitarbeiterInnen und die wiederum über die Abfallwirtschaft, Krankenhäuser, Sozialhilfe, KfZ-Zulassungen und Corona in ihren Kreisen. Der Landrat von Böblingen, Roland Bernhard, hat es sogar bis zur bundesweiten Berühmtheit gebracht, als Gast in der Talkshow von Markus Lanz, wo er seine Corona-Test-Strategie vorstellen durfte.
Jüngst war ihm noch etwas anderes wichtig: die Medienlandschaft in seinem Gäu. Er hatte Pressebänke ausgemacht, die immer leerer wurden, verursacht durch eine zunehmende Konzentration in der Branche, die zum einen sparen wollte und zum anderen ihr Interesse an kommunaler Politik zu verlieren schien. Und weil er das für demokratieschädlich hielt, rief der parteilose Bernhard seine Kollegen aus Esslingen (Heinz Eininger/CDU), Ludwigsburg (Dietmar Allgaier/CDU), Rems-Murr (Richard Sigel/parteilos) und Göppingen (Edgar Wolff/Freie Wähler) zusammen, um einen Brandbrief zu verfassen. Kontext berichtete.
Unter der Überschrift "Kommunalpolitik braucht einen starken Lokaljournalismus" brachten die Kreisfürsten ihre Sorgen zum Ausdruck. Freundlich formuliert und adressiert an die Geschäftsführer der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) und der Tochter Medienholding Süd (MHS), den Herren über die Zeitungen, von denen sie abhängig sind. Das war am 28. Januar 2022, an einem Freitagnachmittag. Da es ein offener Brief war, schickten sie ihn über ihren normalen Verteiler, über den sie auch ihre sonstigen Pressemitteilungen aussenden. An das Stuttgarter Pressehaus mit StZ und StN, die Tageszeitung in ihrem Beritt, an lokale und regionale Radiosender, an das regionale Fernsehen und die Deutsche Presseagentur (dpa).
Die Arme der Krake SWMH sind lang
Danach machten sie eine ungewohnte Erfahrung: Egal in welches Medium sie schauten, nichts ward berichtet von ihrem Vorstoß. Die fünf "kleinen Könige" fanden einfach nicht statt – außer in Kontext und für eine Minute im SWR-Radio. Was da wohl passiert war, fragen wir den verblüfften Bernhard, der nach längerem Nachdenken den Grund darin erkennt, dass die "Branche insgesamt unter Druck" steht. Damit liegt er nicht falsch, in seinem Fall (und der vier anderen) ist das Gesamte eindeutig identifizierbar. Es ist die SWMH, die in der Metropolregion Stuttgart mit ihren mehr als zwei Millionen EinwohnerInnen ein Quasi-Monopol hat. Den Fusionszeitungen StZ/StN und ihren Partnerblättern um die Landeshauptstadt herum kann man nicht entgehen, es sei denn man wohnt im Kreis Ludwigsburg, wo die eher kleine LKZ verbreitet ist. Aber auch hier: Fehlanzeige.
14 Kommentare verfügbar
Markus Koch
am 15.02.2022Ein Streik, der die SWMH und deren Aktionäre das Fürchten lehrt und ihnen am Ende alles kosten könnte, nicht…