Die Bundesregierung stoppt die Förderung für energieeffiziente Häuser: Diese Erklärung des grünen Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck vom 24. Januar war ein Schock für Häuslebauer und Architekten. Nach massiven Protesten ist Habeck mittlerweile zurückgerudert und hat eine Übergangslösung angekündigt. Vor allem geht es um Zuschüsse der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, für die Programme Effizienzhaus 55 (EH 55), Effizienzhaus 40 (EH 40) und die Förderung von energetischen Sanierungen. EH 55 und EH 40 bedeuten, dass ein Gebäude laut EnEV / Energieeinsparverordnung nur 55 beziehungsweise 40 Prozent der Primärenergie eines heutigen Vergleichsgebäudes verbraucht.
Kontext hat Markus Müller, den Präsidenten der Architektenkammer Baden-Württemberg gefragt, was Politik tun muss, um die Klimaziele zu erreichen. Trotz der Übergangslösung für Förderungen ist der Ärger weiterhin groß. Auch weil Verlässlichkeit fehlt, sagt Markus Müller.
Herr Müller, wie hat die Nachricht vom Förderstopp durch die KfW, also die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau, bei Ihnen eingeschlagen?
Es haben in der Kammer die Telefone nicht stillgestanden.
Die Bundesregierung hat ja schon im Dezember die KfW-Förderung für das Standard Effizienzhaus 55, genannt EH 55, eingestellt.
Es wäre hilfreich für alle Beteiligten, wenn die Politik sich grundsätzlich überlegen würde, wo sie hin will im Kontext mit den Verträgen, die sie in Paris abgeschlossen hat. Klimaschutz muss man durchdeklinieren. Es reicht nicht, ihn nur zu behaupten.
Was sagen Sie zu der Begründung, EH 55 sei sowieso schon fast Standard?
Wenn die Politik meint, EH 55 sei Standard, dann könnte sie diesen Effizienzhausstandard auch ins Gebäudeenergiegesetz hineinschreiben. Genau das haben wir als Bundesarchitektenkammer der alten Bundesregierung vorgeschlagen. Der damals zuständige Minister Seehofer hat gesagt, wir wollen zwar die Klimaschutzziele erreichen, aber es dürfe sich nichts ändern. Das hat schon schizophrenen Charakter und spiegelt genau die Haltung wider, die uns Planende in den Wahnsinn treibt.
Und zum Argument, dass die Fördermittel ausgeschöpft seien?
Wenn bei uns als beauftragtem Büro die Projektkosten aus dem Ruder laufen, muss ich meine Bauherrschaft so schnell wie möglich informieren. Es wurden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Deutschland, vereinfacht gesagt, eine verfassungswidrige Klimaschutzpolitik attestierte, in einer Art Panikreaktion Fördertöpfe aufgemacht und Geld rausgehauen: fünf oder sechs Milliarden, und jetzt sind wir bei zwanzig. Das Ministerium hat bestimmt schon früher gemerkt, dass die Mittel erschöpft sind, nicht erst jetzt. Wäre dies so, fände ich es offen gestanden etwas beängstigend.
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH-40-Standard angleichen. Der wird jetzt aber nicht mehr gefördert.
Mir ist gleichgültig, ob man Effizienzhaus 40 oder 55 sagt, wir müssen die globalen Klimaschutzziele im Blick haben. Erstens ist über das Nachweisverfahren zu reden. Wir betreiben zum Teil Riesen-Aufwände, um rein rechnerische Nachweise zu einzelnen Bauteilen zu führen – pure Beschäftigungstherapie. Das zweite ist: Bundesbauministerin Klara Geywitz will 400.000 Wohnungen neu bauen, und wir haben 38 Millionen Wohneinheiten im Bestand. Da ist die Schlussfolgerung doch ganz simpel: Wo retten wir die Welt? Retten wir sie, wenn wir ein bisschen mehr CO2 vermeiden im Neubau? Oder retten wir die Welt dadurch, dass wir überlegen, wie wir das im Bestand operativ hinbekommen?
Wie bekommen wir das hin?
Wir haben gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und der Deutschen Umwelthilfe vor der Bundestagswahl in einem Positionspapier genau aufgelistet, was die neue Bundesregierung aus unserer Sicht tun müsste. Und zwar nicht erst in fünf Jahren. In der Politik überbieten sich die Akteure gegenseitig: Die einen wollen die Klimaschutzziele schon 2040 erreichen, die anderen sogar 2035 – wenn wir das schaffen wollen, können wir nicht nochmal ein paar Jahre warten. Es liegen bereits Vorschläge vor für ein neues GEG ...
Sie meinen die Neukonzeption Gebäudeenergiegesetz 2.0 der Landesregierung?
Genau. Aus Baden-Württemberg. Darüber kann man reden, man kann aber auch handeln. Und dann muss man schauen: Welche Relation hat der Neubau zum Bestand?
Fördert die KfW auch Sanierung im Bestand?
Natürlich. Und das sind auch sinnvolle Programme. Die KfW hat auch noch weitere Förderprogramme, zum Beispiel eines, das nennt sich Sanierungsfahrplan. Sie bekommen eine Förderung, wenn Sie festlegen, welchen definierten Effizienzhausstandard Sie in 20 Jahren erreichen und verteilen die nötigen Einzelmaßnahmen über die Zeit. Was wir bei diesem Programm merken, ist, dass es Denkprozesse auslöst: Jedes Gramm CO2, das wir früher vermeiden, ist ein gutes Gramm, jedes, das wir später vermeiden, ein schlechteres. Wenn wir Teilschritte definieren, dann können wir beispielsweise im Stuttgarter Westen überlegen: Lege ich den zehn Jahre lahm, bis alle Gebäude saniert sind, oder entwickeln wir Ideen, wie wir das Defizit, was wir nicht durch energetische Sanierung, etwa durch Hüllflächenverbesserungen erreichen, über regenerative Energiequellen kompensieren.
Die graue Energie, also die für Bau, Herstellung, Transport, spielt aber in der Klimaschutzpolitik bisher überhaupt keine Rolle?
Genau. Bis vor vier, fünf Jahren haben wir uns als Architektinnen und Architekten da auch zurückgehalten, weil wir gefragt haben: Wie können wir das denn messen?
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