Denn um klassischen Klimaschutz geht es Razavi nicht. Bereits vor mehr als einem Jahr hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangt, die Fördermittel prioritär in die Sanierung alter Häuser und im Neubau in den besseren Standard EH 40 zu stecken. Auf Basis der Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Grünen-Fraktion errechnete die DUH, dass 40 Prozent der Fördermittel im Jahr 2020 für die weniger ambitionierten Vorhaben ausgegeben wurden, wiewohl diese "nicht den Klimazielen entsprechen und im Neubau längst Stand der Technik sind". Deshalb entstünden "Mitnahmeeffekte bei Eigentümerinnen und Eigentümern, da ihnen ein Standard im Neubau finanziert wird, der auch ohne Förderung wirtschaftlich ist und somit ohne staatliche Finanzierung gebaut werden würde". Die klimapolitisch notwendige Sanierung von Millionen Bestandsgebäuden in Deutschland bleibe dagegen auf der Strecke. "Die Bundesregierung", rüffelte die stellvertretende DUH-Geschäftsführerin Barbara Metz, "finanziert mit ihrem CO2-Gebäudesanierungsprogramm am Klimaschutz vorbei."
Statt zu reagieren, ließ Altmaier nicht nur die Förderrichtlinien laufen, sogar über eine Anpassung im vergangenen Sommer hinaus, sondern griff noch zum Brandbeschleuniger. Denn nach seiner Ankündigung im November flossen erst recht Mittel in die eigentlich überholte Art der Neubauten. Anträge in einem Volumen von 14 Milliarden Euro gingen bei der KfW für EH-55-Vorhaben ein. "Das Programm", resümiert Klimaschutzwächter Habeck, "ist völlig aus dem Ruder gelaufen." Es sei unangenehm, diese Entscheidung politisch zu verantworten und den Kopf dafür hinzuhalten, aber notwendig. Denn: "Wir sind jetzt in der Verantwortung und müssen dafür sorgen, dass das Geld besser und damit dort eingesetzt wird, wo die CO2-Einsparungen am größten sind."
CDU nörgelt wider besseres Wissen
Dieser Weg wird kein leichter sein. In einem Brief an alle Bundestagsabgeordnete seiner Partei verspricht er, auch um die Aufregung in den Wahlkreisen zu besänftigen, "in den kommenden Tagen und Wochen die Förderung auf ein solides Fundament zu stellen und damit den Klimaschutz im Gebäudebereich wirksam zu voranbringen". In einem ersten Schritt würden aber noch alle förderfähigen Altanträge genehmigt, die bis zum vorläufigen Antragsstopp am 24. Januar 2022 eingegangen sind. Immerhin geht es um nicht weniger als 7,2 Milliarden Euro. Natürlich wissen auch die FachpolitikerInnen in der Union, dass dieses Geld eigentlich in Richtung Sanierung gelenkt werden muss. Und natürlich kennen sie die Zahlen und wissen, dass genau dazu aber nur 700 Anträge bei der Staatsbank liegen, während 22.200 der 24.000 vom vorläufigen Stopp betroffenen Neubau-Anträge in einem Gesamtvolumen von mehr als sieben Milliarden Euro den Standard EH 55 betreffen. Weil aber vorerst alle Programme, auch die für EH 40 und damit die schärferen Klimavorgaben sowie für Sanierungen, auf Eis liegen, ist es einfach zu verlockend, das einigermaßen komplizierte Thema für simples Grünen-Bashing zu instrumentalisieren.
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