Der Heidelberger Herbst ist ohnehin berühmt. Doch bislang denken dabei nur die wenigsten an eine Jahreszeit, eher an das große Straßenfest mit diesem Namen, das seit 50 Jahren immer am letzten Septemberwochenende scharenweise Gäste in das Herz der Altstadt lockt – wenn keine Pandemie dazwischen kommt. Doch auch wenn die traditionellen Feierlichkeiten 2020 das erste Mal ausfallen mussten, bietet der Herbst in Heidelberg eine Besonderheit, die die Hauptstadt der Romantik anderen Regionen in der Bundesrepublik voraus hat: Wo sich das Laub gerade rot färbt, und Bäume im Begriff sind, ihre Blätter abzuwerfen, gedeihen neuerdings auch immergrüne Korkeichen.
Bis vor Kurzem fühlten die sich eher in Portugal, auf Sardinien oder in Algerien heimisch, im kalten deutschen Winter hatten sie schlechte Überlebenschancen, wie Geografie-Professor Klaus-Dieter Hupke vor Ort erläutert. Nun aber entwickeln sie sich prächtig in der Bahnstadt, dem jüngsten Heidelberger Stadtteil, der stets als ökologisches Vorzeigeprojekt konzipiert war. "Der Klimawandel gilt ja oft als abstraktes, schwer greifbares Phänomen", sagt Hupke. "Hier werden die Folgen sichtbar."
Die Blätter wirken ledriger, ein gutes Stück robuster als bei den altbekannten deutschen Eichen, mit der namensgebenden Korkschicht um den Stamm ist der vegetative Neuling besser als andere Bäume gegen Waldbrände gewappnet. Noch handelt es sich bei der Korkeiche um eine Heidelberger Spezialität, betont der Geograf im Gespräch mit Kontext. "In anderen deutschen Städten, in Stuttgart zum Beispiel, würde so ein Baum höchstwahrscheinlich eingehen", ist sich Hupke sicher, zu kalt werde es dort in den kühleren Monaten. Doch Heidelberg gehöre ohnehin zu den wärmeren Städten der Republik. Und in der Bahnstadt – das weiß er aus eigener Erfahrung, weil er hier sein Büro hat – wird es gerne mal besonders heiß.
Preisgekrönt vor dem Spatenstich
Die Geschichte der um Nachhaltigkeit bemühten Siedlung beginnt, wo andere Bemühungen um Nachhaltigkeit aufgegeben wurden: Mit der Verlagerung des Gütertransports von der Schiene auf die Straße. Der alte Heidelberger Rangier- und Güterbahnhof stellte 1997 den Betrieb ein. Auf den freiwerdenden Gleisflächen sollte ein neuer Stadtteil entstehen, der insbesondere die Not auf dem schon damals angeheizten Wohnungsmarkt lindern sollte. Zugleich wollte die Stadt auch auf Ökologie und Nachhaltigkeit achten.
Was aus dem Vorhaben wurde, das Quartier der Zukunft am Reißbrett zu designen, verkauft das Heidelberger Stadtmarketing als Erfolgsgeschichte. "Als die Bagger anrollten, konnte sich kaum jemand vorstellen, wie rasant die Industriebrache in den kommenden Jahren Gestalt annehmen wird", heißt es in einem Werbefilmchen für das Viertel, das nach ursprünglichen Plänen schon 2006 von den ersten Bewohnern bezogen werden sollte und es 2012 auch wurde.
Die Verheißungen einer großen Zukunft konnten auch Kritiker begeistern. So gewann das Bahnstadt-Teilareal "Heidelberg Village" bereits im September 2015 einen Preis der Initiative "Deutschland – Land des Langen Lebens". Einen Monat später begannen dort die Bauarbeiten. Als die ersten Bewohner zum 20. April 2017 einziehen wollten, mussten sie bitter enttäuscht werden: Einen Tag vor dem geplanten Umzug informierte man die Betroffenen per Mail, dass die neuen Wohnungen noch nicht bezogen werden konnten, weil sie noch nicht fertig waren.
Hört auf den Propheten
Doch wie bei allen Großprojekten in der Bundesrepublik gab es anfangs vielleicht die ein oder andere Schwierigkeit. Aber wer beschwert sich noch nach der Schlüsselübergabe? Helmut Schleweis von der Sparkasse, die maßgeblich in die Stadtteilgestaltung eingebunden war, bilanziert jedenfalls in einem Werbefilm des Stadtmarketings unter dem Motto "10 Jahre Zukunft" zum Bahnstadt-Jubiläum: "Das Projekt wurde speziell ja – normal gilt der Prophet im eigenen Land nix – in der Heidelberger Szene eher misstrauisch bis 'mal schauen, ob's erfolgreich' wird, beobachtet und dann hat man gesehen, als so die ersten Dinge entstanden sind, dass hier doch was Gutes entsteht."
4 Kommentare verfügbar
T.Thomasowitsch
am 29.10.2020Nichts anderes.
Von wegen "Grünstreifen sind Naherholungsgebiet"
Hundeklo.
Alles vollgeschissen.
Ein Bunker wie der Andere. VÖLLIG überteuert noch dazu.
Wer es braucht....
Und nein, hier spricht ganz Gewiss nicht der Neid. Ich wohne deutlich besser.