Was Marcello Mastroianni für Fellini war ("Achteinhalb", 1963), das war Antonio Banderas in den 1980er Jahren für Almodóvar: ein Schauspieler, mit dem der Regisseur sich selber in seine Werke hineinprojizieren konnte. "Labyrinth der Leidenschaften" (1982), "Matador" (1986), "Das Gesetz der Begierde" (1987), "Frauen am Randes des Nervenzusammenbruchs" (1988) oder "Fessle mich" (1990) sind die Titel, die so berühmt wurden wie die Filme selbst. Wenn man sagen würde, dass der Regisseur und sein Star damals den Aufbruch des spanischen Kinos nach der Franco-Diktatur verkörperten, so wäre das eine Untertreibung. Denn vor allem Almodóvar war ja so etwas wie der Chef von La Movida in Madrid, einer radikalen Bewegung, die sich nicht vorsichtig-behutsamem Fortschritt verschrieb, sondern das Kino, ja, die ganze starre und festgefahrene spanische Kultur zur Explosion brachte.
Anrührendes Künstlerporträt in leuchtenden Farben
Der 1951 geborene Almodóvar mischte damals im Avant-Garde-Theater mit, schrieb Comic-Strips und Geschichten für Underground-Zeitschriften, veröffentlichte unter dem Pseudonym "Patti Diphusa", einem fiktiven Porno-Star, parodistische Memoiren, spielte in einer experimentellen Rockband mit und bekannte sich offen zu seinem Schwulsein. Trotzdem sagte er: "Ich spreche nie über Franco!" Tatsächlich sind seine Filme keine politischen Aufarbeitungen oder Abrechnungen mit der Diktatur. Was Almodóvar in seinen bunten, exzessiven und genrevermischenden Filmen durchprobiert, was er mit seiner merkwürdigen Melange aus Melodram, Pop und Parodie, aus Kitsch, Kolportage und Klischees betreibt, das ist nicht der Protest als Politik, sondern als einer der Stile, der Moden und der Lebenswelten. Da tobt sich auf der Leinwand jede Menge Sex aus, da musste auch in dieser Beziehung endlich rein und raus, was katholische Kirche und Franco-Herrschaft so lange unterdrückt hatten.
In "Leid und Herrlichkeit" sind Almodóvars Themen, oft als Zitate aus eigenen und früheren Filmen, noch alle da: das innige und doch problematische Verhältnis zur Mutter, die Erfahrung mit dem Katholizismus ("Ich will nicht Priester werden!") oder das sexuelle Urerlebnis, wenn er als Junge beobachtet, wie ein gut gebauter Handwerker sich nach getaner Arbeit auszieht und wäscht. Aber der Regisseur arbeitet nun nicht mehr im Gestus der Provokation, er verzichtet auf das Energische, das Fiebrige, das Aggressive, er filmt also nicht mehr gegen etwas an, sondern blickt fast schon gelassen zurück. Und es gelingt ihm dabei ein intimes, anrührendes Künstlerporträt, bei dem sich Antonio Banderas (für den dieser Film auch eine Rück- und Heimkehr ist!) uneitel zurücknimmt und in seinem Spiel eine Melancholie durchscheinen lässt, die an Mastroiannis große Altersrollen erinnert.
Die hitzigen Zeiten sind vorbei, auch mit dem Schauspieler Alberto Crespo (Asier Etxeandia), mit dem Salvador sich vor 32 Jahren bei Dreharbeiten verkracht hat, will der Regisseur sich endlich versöhnen. Die beiden kommen auch wieder ins Gespräch, Salvador probiert sogar, quasi als Schmerzmittel und Pillenersatz, von Albertos Heroin (was sicher zu Fragen führen wird, wie es denn Almodóvar mit diesem Stoff hält). Und er ist schließlich einverstanden, dass der Schauspieler einen autobiografischen Text von Salvador auf die Bühne bringt. In dieser Aufführung sitzt dann zufällig Federico (Leonardo Sbaraglia), der sich in einer der Figuren wiedererkennt: Er war Salvadors erste große Liebe. Und wenn nun Salvador und Federico, der inzwischen Familienvater ist und in Argentinien lebt ("Du warst mein einziger Mann!"), sich wiedersehen, dann sehen sie zwar, wie alt sie geworden sind – und spüren gleichzeitig, dass da immer noch etwas glimmt. So wie die Farben in diesem schönen Spätwerk des Pedro Almodóvar immer noch leuchten. Drama oder Komödie? Das will der Arzt wissen über Salvadors neues Projekt, bevor er ihn operiert. "Das weiß man erst am Ende", sagt der Regisseur Salvador, der wie Almodóvar selbst seine Schaffenskrise überwunden hat.
Pedro Almodóvars "Leid und Herrlichkeit" ist ab Donnerstag, 25. Juli in den deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier.
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