Kemal wirkt verzweifelt bei seinem Videoanruf. "Unsere Eltern sind mit uns nach Deutschland gegangen, damit wir Bildung bekommen", sagt er, "damit wir es besser haben. Jetzt sind wir wieder hier. Aber hier will man uns nicht. Weil wir Roma sind." Der Junge sitzt in einem kahlen, weiß gekalkten Zimmer in Resen, einer 9000-Einwohner-Gemeinde, in der die Roma einen Anteil von einem Prozent haben. Die meisten sind orthodoxe Christen.
Seit dem 27. September sind Kemal, seine Eltern und seine zehn Jahre alte Schwester Gjulten dort. Bis zu diesem Tag lebte die Familie Islamovski fünf Jahre lang in Stuttgart-Wangen. Die Eltern arbeiteten in einem türkischen Supermarkt, die Kinder gingen dort in die Schule. In der Nacht zum 27. September wurde die Familie von vier PolizistInnen abgeholt, nach Ludwigsburg gebracht und ein paar Stunden später über den Abschiebeflughafen Karlsruhe-Baden-Baden nach Nordmazedonien verfrachtet.
Dort erwartet die Familie – wieder – die Armut. Untergekommen bei Verwandten, ist Kemal derzeit der einzige Ernährer der Familie. "Ich arbeite zwölf Stunden am Tag auf dem Feld", berichtet der Jugendliche. "Dafür bekomme ich 20 Euro. In die Schule kann ich nicht, meine Schwester auch nicht. Die haben uns gesagt, wir müssen dafür Geld bezahlen. Aber wir haben keins."
Kemal hat immer geholfen, wenn Not am Mann war
In Stuttgart-Wangen sitzen derweil die Freunde der Familie Islamovski zusammen und überlegen, wie sie helfen können. Denn die Familie war beliebt, besonders der Junge. "Wenn Kemal hierher kam, hat er jedem die Hand gegeben. Das erlebt man nicht so häufig bei jungen Männern", erzählt Rosa Maria Lopez Alonso. Sie ist Geschäftsführerin des FIZ (Familie im Zentrum) und voll des Lobes: "Er hat hier sein Sozialpraktikum für die Schule gemacht. Und danach ist er immer wieder hergekommen, hat Kinderbetreuung übernommen, hat geholfen, wenn Not am Mann war."
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Marita
am 16.11.2019