Welche Regionen damit gemeint sind, bleibt allerdings unklar. Bis heute wurde seitens der Verantwortlichen weder der Name einer Provinz noch einer Stadt genannt, in der es angeblich sicher sein soll. Die afghanische Hauptstadt Kabul, in der die Abgeschobenen landen, zählt mittlerweile zu den unsichersten urbanen Gebieten Afghanistans. Bombenanschläge, die zahlreiche unschuldige Menschen in den Tod reißen, sind zu etwas Alltäglichem geworden.
In Deutschland ist vor allem jener Anschlag, der sich Ende Mai im Stadtteil Wazir Akbar Khan ereignete, in Erinnerung geblieben. Bei dem Attentat wurden über 100 Menschen getötet. Doch da Wazir Akbar Khan auch als "Diplomatenviertel" bekannt ist, in dem sich unter anderem auch die deutsche Botschaft befindet, lag der Fokus vieler Schlagzeilen eher auf Stahl und Beton als auf afghanischen Menschenleben. Bei dem damaligen Angriff wurde auch das Botschaftsgebäude beschädigt. Zynischerweise wurden kurz darauf die Abschiebungsflüge aus Deutschland eingestellt. Nicht etwa, weil Kabul zu gefährlich für abgeschobene Geflüchtete ist, sondern weil die Botschaftsmitarbeiter den bürokratischen Aufwand, der mit den "Rückkehrern" verbunden ist, kurzzeitig nicht bewältigen konnten.
"Vielleicht haben Sie ja etwas angestellt"
Wenn Mohammad so etwas hört, wird er wütend. Seit mehr als sechs Jahren lebt der Geflüchtete in Stuttgart. 2011 floh er aus seiner Heimatprovinz Paktia im Osten Afghanistans. Mohammad spricht gutes Deutsch und arbeitete bei einer Reinigungsfirma. Er bezahlte Steuern. Integrierte sich. Für ihn war klar: Seine Zukunft ist in Deutschland. Doch dann – im Mai, während in Afghanistan die Sicherheitslage eskalierte – kam der Abschiebebescheid. Deutschland, Baden-Württemberg, wo unter einer grüngeführten Landesregierung mehr abgeschoben wird als in Bayern, wollte Mohammad nicht mehr haben. Er solle sich auf seine Rückreise vorbereiten, die auch "freiwillig" stattfinden könne.
"Der Brief war wirklich eindeutig. Ich bekam es mit der Angst zu tun und überlegte, unterzutauchen oder die Abschiebung anzutreten", meint Mohammad. Die Behörden, an die sich der Afghane mit seinem allem Anschein nach letzten Bescheid wenden wollte, reagierten kalt und mit Desinteresse. "Vielleicht haben Sie ja etwas angestellt". Oder: "Wir können da leider auch nichts machen." Derartige Sätze hörte er immer und immer wieder.
Dann wendete sich das Blatt doch noch zum Guten. Nachdem ein Anwalt Mohammad klarmachte, dass ihn eine Ausbildung vor der Abschiebung retten könne, fand er eine Stelle bei einem Malerbetrieb in Stuttgart. "Ich bin erleichtert und kann wieder aufatmen. Wer weiß schon, wo ich jetzt wäre, wenn ich diese Stelle nicht bekommen hätte? In Afghanistan wäre ich vielleicht schon tot", sagt Mohammad.
Eine Abschiebung für Mohammad und Farhad würde nicht nur die Rückreise nach Kabul bedeuten. Da die beiden Afghanen keinerlei Verwandte in der Hauptstadt haben, müssten sie in ihre Heimatprovinzen zurückkehren. Allein der Weg dorthin ist lebensgefährlich. In ganz Afghanistan herrscht Krieg, in manchen Provinzen weniger als in anderen. Doch die Gefahr lauert überall – und die Zahlen dazu sprechen für sich. Laut den Vereinten Nationen wurden 2016 über 11 500 Zivilisten am Hindukusch getötet. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2017 wurden mindestens 8 019 zivile Opfer gezählt.
Das sind Höchststände, die auf absehbare Zeit nicht abnehmen werden. Hinzu kommt: Die tatsächlichen Zahlen liegen mit großer Sicherheit weitaus höher. Die Methode, mit der die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) seit 2009 als einzige Organisation getötete Zivilisten im Land zählt, gilt als konservativ: Für die offizielle Bestätigung eines einzelnen Opfers sind drei verschiedene Quellen notwendig. In einem Land wie Afghanistan, mit vielerlei Kriegsgeschehen, Terroranschlägen, Drohnen-Angriffen und brutalen Übergriffen von lokalen Milizen oder US-Spezialkräften, ist das nicht bloß für abgelegene Regionen mehr als nur schwierig.
Die Geflüchteten, deren Beispiele in diesem Artikel angeführt sind, wollen anonym bleiben. Ihre Namen wurden daher von der Redaktion geändert.
Letzte Kommentare:
Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass es in der Grünen Landtagsfraktion selbst etliche gibt, die gegen die Einführung von Landeslisten waren und sind. Wäre die beabsichtigt gewesene Wahlrechtsreform innerhalb von Fraktion und Partei der Grünen völlig...
Du musst geduld mit ihnen haben, noch ist der DIESELGESTANK nicht verraucht. aber in 3-4 jahren kannst du antwort erwarten. welche? das thema ist schwierig, aber wir sind immer auf dem besten weg. könnte merkel jetzt schon sagen. hellmut g. haasis, reutlingen
Hans Drager oder wie ihr auch immer heißen mögt... ihr Ober-Schlaumeier von der Patientenfront; ihr, die ihr die einzigen seid, die wissen, wie es in der Welt zugeht (Arzt contra Patient), ihr, die ihr auch heute das tut, was ihr schon immer getan habt: aus...
Vielen, vielen Dank an Winfried Wolf für diesen hervorragenden, sachlich fundierten und aufklärenden/klarstellenden Artikel!! "Erst wenn alles zerstört ist, werdet Ihr merken, dass sie unfähig sind, einen Bahnhof zu bauen" - tolle Aktion von Robin Wood...
Mit Nahles weder Gestalter noch Verwalter. Diese SPD sollte sich weiterhin schämen, das großartige Erbe eines Willy Brandt so dummheitsbeladen verspielt zu haben. Wer konstruktive Kritik nicht verträgt und in Gutsherren-Manier abbügelt, der sollte sich...
Wer bei uns Sperrgitter benötigt, um sich vor dem eigenen Personal zu schützen, der/die zeigt damit jene Angst, die in Südamerika oder Südtitalien Unternehmer wie Mafiabosse zwingt, inmitten von glasscherbenbewehrten Stacheldrahtmauern und...
Ein unglaublicher Vorgang... Hört(e) man dazu was von den Grünen in Baden-Württemberg? Nach der SPD mag ich gar nicht erst fragen...
Einige der Mit-ForistInnen wundern sich über den armseligen, ich würde hinzufügen gehässigen Verriss, den sich ein Herr Damolin, seines Zeichens selbst Dokumentarfilmer, über den Dokumentarfilm „SPK-Komplex“ eines Kollegen aus der ehemaligen DDR...
Lieber Kollege Damolin, jeder Autor eines Buches, jeder Regisseur eines Filmes muss natürlich auswählen, was in einem Buch oder Film aufgenommen wird. Dazu muss er aus den vielen Aspekten und Fragen eines Themas auswählen. Nun hat Gerd Kroske eben seine...
Ist das was neues beim Herrn Ministerpräsidenten? Es zieht sich wie ein roter Faden beim Herrn Ministerpräsidenten! Es ist doch seine Masche viel zu versprechen und nichts zu halten! Sein ganzen Streben ist einfach, wie bei allen Politikern, an der Macht-...
Wie wäre es mit einem Wahlrecht, bei dem der Souverän entscheidet, wer in den Landtag kommt? Landeslisten empfinde ich als Wähler immer als Entmündigung, denn durch sie verdanken die Abgeordneten ihren Sitz nicht der Entscheidung der Wählerinnen und...
Es wundert, dass sich Henkel-Waidhofer noch wundert.... Dennoch ist ihr die Zustandsbeschreibung natürlich wieder bestens gelungen. Es fehlt nur der klarere Hinweis, dass Baden-Württemberg in der Bundes- SPD keinerlei gestaltende Rolle (mehr) spielt. Als...
Die Sozialdemokratie hat ohne jeden Zweifel historische Leistungen vollbracht, seit dem Abgang von Willy Brandt jedoch viel von dem (an anderer Stelle) kaputt gemacht. Heute sieht es so aus als bekäme sie die Kurve nicht mehr, durchbreche die Leitplanke und...
ich finde den Artikel eigentlich irreführend. Seine Botschaft ist: WENN nachgewiesen wäre, dass das Assad-Regime ..., dann wäre der Schlag der westlichen Drei gerechtfertigt. Es ist aber viel einfacher. Ich habe es begriffen durch eine Aussage des...
Sehr geehrter Kollege Nowak, auch ich finde kritische Texte wichtig, gerade wenn sie von einem Kollegen kommen, der selbst schon unkritische Rezensionen über diesen Film geschrieben hat: sozusagen ein Rezensionen-Rezensent. Und der dazu noch behauptet, dass...