Herr McGinley, wie geht es der Willkommenskultur im Land?
Wenn es diese Willkommenskultur von politischer Seite jemals gegeben hat, dann ist nicht mehr viel davon übrig. Dieses Jahr haben sich ganz klar unerfreuliche Tendenzen fortgesetzt. Es gab weitere Asylrechtsverschärfungen, weiterhin ist der gesellschaftliche und politische Diskurs unserer Sicht weitgehend kontraproduktiv. Zumindest von staatlicher Seite sind wir endgültig bei einer Hau-ab-Kultur angelangt.
Sie meinen damit die Abschiebungen nach Afghanistan?
Ja, aber nicht nur. Flucht, Migration, Asyl werden in erster Linie als Teil der Innenpolitik gesehen und in der wird jeder Mensch, der hier her kommt, als potenzielles Sicherheitsrisiko betrachtet. Der Fokus liegt darauf, leichter, mehr und schneller abzuschieben. Auch nach Afghanistan, fast jeden Monat. Und wir erleben jetzt gerade die ersten Vorstöße zu Abschiebungen nach Syrien.
Tatsächlich?
Bayern und Sachsen haben vor kurzem bei der Innenministerkonferenz den Vorschlag gemacht, den Stopp nur um sechs Monate statt für das ganze Jahr 2018 zu verlängern. Der Krieg in Syrien sei ja fast vorbei. Aber für viele Menschen aus Syrien war und ist ja nicht nur die unmittelbare Gefährdung durch den Bürgerkrieg ein Fluchtgrund, sondern auch die Verfolgung durch das Regime. Wenn der Krieg, wie sich das jetzt abzeichnet, mit einem Sieg des Assad-Regimes endet, ist es extrem ignorant, zu sagen, dass dann die Fluchtgründe wegfallen.
Wie stellt sich die Politik denn potenzielle Abschiebung nach Syrien vor? Wo leben zum Beispiel diese Menschen? Es ist viel zerstört in diesem Land.
Ja. Auf Afghanistan trifft das ebenfalls zu, wenn auch nicht in gleichem Maße. Da heißt es dann, die Leute haben Verwandte, bei denen sie unterkommen können. Oder ein junger gesunder Mann kann ja vorübergehend irgendwo wohnen und sich einen Job suchen. Das ist völliger Unsinn. In Afghanistan hat sich die Sicherheitslage in den letzten zwei bis drei Jahren gegenüber den Vorjahren deutlich verschlechtert. Da frage ich mich, wie man auf die Idee kommt, ausgerechnet jetzt wieder mit Abschiebungen anzufangen. Das hat nichts mit der Situation in Afghanistan zu tun, sondern mit der in Deutschland. Hier will die Politik Härte zeigen.
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