So beginnt die Erzählung, nachdem zum Lied der Rohrflöte des afghanischen Chors die Gaukler die Bühne betreten haben: "Es war einmal ein Ton." Es spricht Ahmet Gül, im bürgerlichen Leben Telefonist des Esslinger Klinikums. Der studierte Musiker betritt als Zirkusdirektor verkleidet die Bühne des Esslinger Neckarforums und teilt sich die Rolle des Conférenciers mit Lucie Mackert, die sich bei ihm untergehakt hat. Denn was man allenfalls ahnen kann: Gül ist blind. Als Sänger ist er sowohl in der europäischen als auch in der türkisch-islamischen Tradition und Gesangstechnik bewandert.
"Es war einmal ein Ton, der hatte ein schönes Zuhause. Da war's gemütlich, und alles war wie immer; da kannte man sich aus." Das Lied der Rohrflöte – oder der Ney-Flöte – erzählt eine andere Geschichte: "Ich suche die Herzen derer, die von Einsamkeit gequält sind, nur sie verstehen den Schmerz meiner Sehnsucht. Wer weit entfernt ist von seiner Heimat, der sehnt sich nach dem Tag seiner Rückkehr." Es sind unbegleitete afghanische Jugendliche aus Reutlingen, die da singen. Erst vor einem Jahr brachte ihnen der Chorleiter Monir Naachiz viele Lieder aus ihrem Heimatland bei, die sie bis dahin nicht kannten. In Reutlingen.
Ein Ton will weg
Im Herbst und Winter 2015, als immer mehr Menschen über die Balkanroute nach Mitteleuropa kamen und die Nachrichten kein anderes Thema mehr kannten, machten sich auch die Musiker der Württembergischen Philharmonie Reutlingen Gedanken, wie sie mit dieser Situation umgehen könnten. Sie suchten nach musikalischen Begegnungen und wandten sich an den Komponisten Bernhard König, mit dem sie in einem Projekt mit Behinderten bereits einmal erfolgreich zusammengearbeitet hatten. König ist zugleich der Kopf hinter dem 2012 an der Stuttgarter Bachakademie gegründeten <link http: trimum.de start fugato-2017 external-link-new-window>interreligiösen Chor "Trimum", in dem Christen, Muslime und Juden miteinander singen.
Ein Dreivierteljahr streckten König und die Philharmonie in alle Richtungen die Fühler aus. Großes Interesse hatten die afghanischen Jugendlichen aus Reutlingen. Ebenfalls mit Begeisterung war ein Chor vorwiegend iranischer Frauen in Tübingen dabei. Aber dann waren die Frauen auf einmal nicht mehr da. König nennt mehrere Gründe: Ihre Männer waren strikt dagegen, dass sie öffentlich auftreten. Zudem wurden die Familien von einer nahe gelegenen Sammelunterkunft auf weiter entfernte Orte verteilt. In Esslingen wurde ein Gambier der Theater-, Tanz-, Musik- und Akrobatiktruppe <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft einhoerner-fuer-gambia-4032.html internal-link-new-window>"United Unicorns" abgeschoben. In Zusammenarbeit mit der Reutlinger Philharmonie entstand ein Musikvideo.
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Rolf Steiner
am 05.07.2017