Ursprünglich plante er Stationen in Donaueschingen und seinem Wohnort Frankfurt. Allerdings wollte er das Projekt nicht erst im Oktober auf den Musiktagen vorstellen. Es traf sich gut, dass die Stuttgarter Musikhochschule vom 19. bis 21. Mai einen Kongress unter dem Titel "Wirklichkeiten" veranstaltet. "Hat die zeitgenössische Musik die Brücken zur sie umgebenden Welt tatsächlich abgebrochen?", fragt die Einladung. Komponisten wie der Mitorganisator Martin Schüttler wollen eine Debatte anzetteln über "Musik als Gegenwartskunst, die an gesellschaftlichen Diskursen teilnimmt und sich einmischt".
Die syrische Journalistin will Orientierungshilfe für Flüchtlinge
Für Seidl kann, ganz im Sinne von John Cage, jedes Alltagsgeräusch Musik sein. Beim Neue-Musik-Festival "Sommer in Stuttgart" hat er 2008 mit dem Videokünstler Daniel Kötter ein Stück aufgeführt, in dem vier Personen aus dem Jugendhaus Hallschlag zwar auch im konventionellen Sinne Musik machten, vor allem aber ihren gewöhnlichen Tätigkeiten wie Kochen, Löten, Körpertraining oder Computerspielen nachgingen. Die Musik bestand aus den Klängen, die dabei entstanden. Kötter und Seidl arbeiten häufig zusammen. Der dritte Teil "Liebe" der gemeinsamen Trilogie "Ökonomien des Handelns" kommt im Oktober im Theater Rampe zur Aufführung.
Fatima Berekdar hat in Damaskus für "An Nour", das Organ der kommunistischen Partei, Theater- und Kinokritiken verfasst, für verschiedene Regierungszeitungen gearbeitet und als Gewerkschaftssekretärin Freizeitaktivitäten für Frauen und Kinder organisiert. "Die Leute in Syrien lieben das Leben so sehr", sagt sie, "sie lachen viel." Über das Radio möchte sie Frauen und Kindern helfen, sich in Deutschland zu orientieren. Ihr Mann Rawad Salman ist Ingenieur. Seit fünf Jahren versucht er übers Internet, sich in Deutschland als Programmierer zu bewerben. Allerdings hätte er eine Kaution von 8000 Euro hinterlegen müssen, die hatte er nicht. Berekdar zeigt auf ihren Ehering: "Wir haben fast alles verkauft, um nach Deutschland zu kommen."
Sie konnten legal in die Türkei fliegen. In letzter Minute, denn im März wäre Salman zum Militärdienst eingezogen worden. Auf seine Landsleute schießen, das wollte er nicht. Mit dem Schiff ging es weiter zur griechischen Insel Chios, nah am kleinasiatischen Festland. Es war kein überfülltes Schlauchboot, sie waren nur vier Familien. Das war teurer, aber sie konnten es sich noch leisten. Anschließend brauchten sie zehn Tage bis Deutschland, in kleinen Etappen per Bus und Bahn, kürzere Abschnitte manchmal zu Fuß. Geschlafen haben sie auf der Straße. Nach zwanzig Tagen in der Erstaufnahme in Heidelberg kamen sie in die Borsigstraße.
"Good Morning Deutschland", der Name der Radiostation, bezieht sich auf den Film "Good Morning Vietnam", erklärt Hannes Seidl, "auf die Art, wie Radio dort als Medium eingesetzt wird, über alle Schwierigkeiten hinweg ein Gemeinschaftsgefühl der eigentlich befeindeten Menschen herzustellen". Der Film spielt 1965 zu Beginn des Vietnamkriegs. "'Deutschland' statt 'Germany' spiegelt die Mehrsprachigkeit, die Bröckchen unterschiedlicher Sprachen, wie so oft bei Menschen, die sich irgendwie miteinander verständigen müssen, aber keine direkte gemeinsame Sprache haben. Außerdem ist das Radio selbst multilingual und so bunt es geht."
Der afghanische Radiomacher steht auf "Musik, Musik, Musik"
Arabisch, Farsi, Englisch und Deutsch wird in allen drei Redaktionen gesprochen, zum Teil noch weitere Sprachen. Seidl hat die Redakteure sorgfältig ausgesucht. Ramin Nawadi, siebzehn, stammt aus Afghanistan und ist bereits seit dreieinhalb Jahren in Stuttgart. Er ist in der Lage, sich auf Deutsch gewählt auszudrücken, wenn auch nicht immer völlig fehlerfrei. Seine Mutter musste aus Kabul weg, sagt er. Sie hatte Streit mit dem Vater, dazu Diabetes und kann nicht richtig gehen. In Athen wurden sie getrennt, seine Mutter flog direkt nach Deutschland, Nawadi selbst kam langsamer voran, auf dem Landweg. Zwei Monate blieb er, vierzehn Jahre alt, in Rosenheim hängen, bevor er zu seiner Mutter nach Stuttgart durfte.
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