Natascha Popovic ist die Klassenlehrerin, 47, dreifache Mutter mit Hund, sehr resolut und mit einer Stimme gesegnet, die auch bei zwei Mädchen und zehn Jungs zwischen kindlich-albern und halbstark durchdringt. Sie spricht Deutsch, denn auch Englisch kann keiner aus der Klasse. Und sie spricht mit Händen und Füßen, manchmal spielt sie eine Szene vor, manchmal googelt sie Bilder und wirft sie per Beamer an die Wand. Manchmal geht sofort ein großes "Ah" und "Oh" durch die Klasse. Und manchmal ist es schwer: Wie erklärt man bloß das Wort "Traumhaus"? Popovic zeigt das Foto einer Villa, drückt theatralisch die Hände ans Herz, ruft "Traumhaus" und breitet die Arme aus. In der Klasse ist es ganz still. Bis Odei plötzlich "Ferrari!" in den Raum brüllt. Eine aufgeregte Wolke aus vielen arabischen und zumindest ein paar deutschen Lauten erhebt sich in der Mitte des Raums – und wird irgendwann, wenn sich alle einig sind, dasselbe zu meinen, zu lauter Ausrufezeichen über den Köpfen. "Traumhaus", ein neues Wort gelernt.
Beim Ausmalen lernen die Schüler einen Stift zu halten
An diesem Montag im Februar sitzen sie alle um zwei große Tische. Eine Gruppe ist in ein Spiel vertieft, bei dem man Formen auf Kästchen legen muss, je nach Farbe. Die andere Gruppe malt gemeinsam ein großes Bild mit einem Haus von Antonio Gaudi mit Buntstiften an. "So leise erlebe ich meine Schüler auch nur, wenn sie malen dürfen", sagt Natascha Popovic und grinst.
"Das ist grün!" sagt Inaam und legt die Form in die freien Felder neben einem gelben Rechteck. Mohammad legt "rot" und "blau" nebeneinander, denkt kurz, legt dann "lila" daneben. "Rot und blau gibt ...wie heißt?" "Lila!", ruft Inaam. Und lacht sich schon wieder scheckig.
Viele, die hier sitzen, waren noch nie auf einer Schule. Sie haben nie gelernt, was passiert, wenn man gelb und blau zusammenmixt, deshalb legen sie die Formen zu Mischfarben. Viele kennen keine Buchstaben, arabische nicht, und die lateinischen sowieso nicht. Die meisten können nicht lesen, nicht schreiben, wissen nicht, wie man einen Stift hält, deshalb malen sie das Bild mit dem großen Haus aus, um ein Gefühl für die Stifthaltung zu bekommen.
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