Ein goldglänzender Kubus im Ausstellungsraum weist auf diese Zusammenhänge hin. Er zeigt, mit wie wenig Raum die Arbeiterinnen der Fabriken in Dhaka in ihren wenigen Freizeitstunden auskommen müssen. Doch der Glanz der Umhüllung, der auf die feine Welt der Mode verweist und das Geld, das man damit verdienen kann, hat Kratzer bekommen. Eingraviert sind Namen von Arbeiterinnen, die beim Einsturz der Fabrik Rana Plaza 2013 ums Leben gekommen sind. Die Wände der Hütte sind tapeziert mit Zeitungsberichten zum Thema.
Seit dem Fabrikeinsturz hat sich einiges getan. Modeunternehmen, die dort produzieren ließen – nicht nur Primark, auch Benetton, KiK oder Mango –, wollten so schnell wie möglich ihr Schmuddel-Image loswerden – ohne freilich mehr zu bezahlen. Die Regierung erließ Sicherheitsvorschriften und Mindestlöhne, wie sie die Fabrikbesitzer unter diesen Bedingungen freilich nicht immer zahlen können. ArbeiterInnen sollen in allen Betrieben Gewerkschaften gründen dürfen. Gleichzeitig werden Streiks mit Polizeigewalt niedergeknüppelt. Für umgerechnet weniger als 100 Euro im Monat arbeiten die Frauen sechs Tage die Woche, zehn Stunden am Tag, Überstunden nicht mitgerechnet. Von solchen Löhnen können die Frauen auch in Bangladesch nicht leben.
Umweltschonend bauen – mit Lehm und Bambus
Anna Heringer ist mit 19 Jahren zum ersten Mal nach Rudrapur gekommen. In Linz hat sie anschließend Architektur studiert. Ihre Diplomarbeit war eine Schule in Rudrapur, die dann tatsächlich gebaut wurde: das Modern Education and Training Institute (METI). Sie wird betrieben von der lokalen Initiative Dipshikha, die seit 1979 besteht und sich für Entwicklung im ländlichen Raum einsetzt. Eine Berufsschule für Elektriker folgte, genannt Dipshikha Electrical Skill Improvement (DESI). Und, ganz neu, eine Schule für Behinderte, in deren oberer Etage sich die Textilwerkstatt "Dipdii Textiles" befindet.
Ihr Büro hat Heringer in dem bayrischen Kleinstädtchen Laufen nahe Salzburg, wo sie aufgewachsen ist. Sie hat nicht nur in Bangladesch, sondern auch in China, Zimbabwe und Deutschland gebaut und war bereits zwei Mal zur Architekturbiennale in Venedig eingeladen. Sie lehrt unter anderem an der ETH Zürich und in Harvard und leitet seit 2010 den Unesco-Lehrstuhl für Earthen Architecture, Building Cultures and Sustainable Development (Lehmarchitektur, Baukultur und nachhaltige Entwicklung).
Ihr Cousin Emmanuel Heringer ist Korbflechter und damit auch Experte für Bambusgeflechte. Weitere Partner sind der Vorarlberger Tonkünstler und Lehmbauexperte Martin Rauch und der Architekt Eike Rosswag, Leiter des Natural Building Lab an der TU Berlin. Aber die entscheidenden Impulse erhielt Anna Heringer durch ihren Aufenthalt in Rudrapur. Eine nachhaltige Entwicklung entsteht, so die Architektin, wenn man von dem ausgeht, was vor Ort vorhanden ist. Bambus und Lehm, Baumwolle und natürliche Farben. Hier sind die Bewohner von Rudrapur selbst Experten. Heringer hat viel von ihnen gelernt.
Bangladesch kann mehr als Billig-T-Shirts
"Bei Bangladesch denken die Leute immer an Billig-T-Shirts", bedauert sie. "Dabei hat das Land eine reiche, uralte eigene Textiltradition." Bengalische Textilien waren in vorkolonialer Zeit berühmt und wurden weltweit gehandelt. Die Bewohner von Rudrapur haben die alten Techniken nicht verlernt. Es sind zumeist Frauen, die mit Nadel und Faden arbeiten. Bei der schweren Arbeit auf den Feldern können sie mit ihren Männern nicht mithalten.
Heringer erklärt die äußerst nachhaltige Verwendung der Baumwollstoffe: Frauen tragen den Sari, Männer den Wickelrock Lungi. Die Stoffe sind dünn und nach wenigen Jahren aufgetragen. Sie werden dann aber noch nicht entsorgt, sondern in mehreren Schichten aufeinandergelegt und vernäht. So entstehen die Unterlagen und Decken für das Schlaflager. Da sie aus den Kleidungsstücken bestehen, die die Familienmitglieder früher getragen haben, tragen sie zugleich Erinnerungen in sich. Erst wenn diese Decken nicht mehr taugen, werden sie normalerweise auseinandergeschnitten und zu Putzlappen verarbeitet.
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