Manchmal sind es die kleinen Dinge, die Menschen glücklich machen. "Endlich habe ich einen Brotaufstrich gefunden, der nicht nur bio ist, sondern auch palmölfrei – und der sogar unseren Kindern schmeckt." Frithjof Rittberger, der auf Einladung des örtlichen Naturschutzbundes (Nabu) in Walldorf seine Initiative für eine ökologische Reform der Mehrwertsteuer vorstellt, hält in jeder Hand ein Glas Nuss-Nougat-Creme.
Das Thema treibt den Tübinger Pfarrer schon seit Jahren um: Wer die Umwelt durch bewussten Konsum schont, wird oft mit deutlich höheren Preisen bestraft. Rittberger, der sich früh für Ökologie interessierte und an seiner Schule Recyclinghefte verkaufte, verzichtet auf ein Auto und kauft fast nur Lebensmittel aus Öko-Landbau. Er kenne einige Menschen, die gerade als Geringverdiener Wert auf biologisch angebaute Lebensmittel legten, sich aber beim Kauf zurückhalten müssten, sagt Rittberger und stellt fest: "Allgemein sind fast alle dafür, dass Lebensmittel möglichst ohne Umweltbelastung angebaut werden, dass Kleidung fair gehandelt wird oder dass der Verkehr weniger CO2 freisetzt. Dennoch ist der Anteil nachhaltigen Konsums auch nach vielen Jahrzehnten der Umweltbewegung eher gering."
Folgekosten für die Umwelt tauchen auf keinem Kassenzettel auf
Rittberger setzte sich akribisch mit der Materie auseinander, studierte die verfügbaren Quellen und suchte den Kontakt zu Fachleuten, Verbänden, Behörden, Politikern und NGOs. In Walldorf präsentiert er die Ergebnisse einer aktuellen Studie, die der Münchener Festival-Veranstalter Tollwood bei der Universität Augsburg in Auftrag gegeben hatte. Demnach können die Umweltfolgekosten, die auf keinem Kassenzettel auftauchen, sehr unterschiedlich ausfallen. Bei tierischen Produkten sind sie im Vergleich zu pflanzlichen um ein Mehrfaches höher, dasselbe gilt für Produkte aus konventionellem Anbau im Vergleich zu solchen aus Bioanbau. Bei Bio-Obst und -Gemüse gehen nur wenige Prozent auf Kosten der Umwelt, während das konventionell erzeugte Schnitzel eigentlich das Dreifache des Ladenpreises kosten müsste.
Der 46-Jährige zeigt an einem Beispiel, wer für die Umweltbelastungen aufkommt. 27 Prozent des Grundwassers in Deutschland enthält zu viel Nitrat – die Aufbereitung sei teuer und erhöhe die Trinkwasserkosten für eine vierköpfige Familie um bis zu 134 Euro im Jahr.
Um die Preise ehrlicher zu machen, schlägt Rittberger eine ökosoziale Reform der Mehrwertsteuer vor. Die Idee ist, zertifiziert nachhaltige und fair gehandelte Produkte und Dienstleistungen geringer zu besteuern, umweltbelastende Vergleichsprodukte dagegen mit dem regulären Satz.
Für die meisten Lebensmittel kassiert das Finanzamt derzeit den ermäßigten Satz von sieben Prozent. Bei der Einführung vor 50 Jahren wollte man Geringverdiener beim Grundbedarf entlasten. Doch längst wurde dieses Prinzip aufgeweicht. Während für Gänseleberpastete und Trüffel der ermäßigte Satz von sieben Prozent gilt, zahlen junge Familien für Windeln den Regelsatz von 19 Prozent.
Keine Rolle für die Eingruppierung spielen bisher der Ressourcenverbrauch oder die Wirkung auf Umwelt und Klima. Im Gegenteil werden Schweineschnitzel und Kuhmilch begünstigt, bei Sojaschnitzel und -milch dagegen wird der Regelsatz angewandt. Im Restaurant auf Porzellanteller serviert werden für die Pizza 19 Prozent fällig, im Karton geliefert nur sieben Prozent. Beim grenzüberschreitenden Fernverkehr werden Bus und Bahn – anders als in den meisten europäischen Ländern – voll besteuert, wohingegen für weit klimaschädlichere Flüge gar keine Mehrwertsteuer anfällt.
Wer Umweltschäden vermeidet, zahlt bisher drauf
Darüber ärgert sich Rittberger: "Wer mit seinen Produkten Boden, Wasser und Luft vergiftet oder Arbeitskräfte ausbeutet, lädt die Umweltfolgekosten der Steuer zahlenden Allgemeinheit auf. Wer aber Umweltschäden vermeidet, zahlt drauf." Sein Vorschlag: Pflanzliche Lebensmittel, die ökologisch angebaut beziehungsweise. fair gehandelt werden, sollen gänzlich von der Steuer befreit werden. Im Gegenzug will er konventionell produzierte tierische Lebensmittel mit dem vollen Satz besteuern. Für pflanzliche konventionell angebaute Produkte sowie für Bioprodukte tierischen Ursprungs würde es beim ermäßigten Steuersatz bleiben.
4 Kommentare verfügbar
Beate Draxler
am 09.11.2018Sehr geredlicher Herr Dr. Gscheidle,
beim Lesen Ihrer höchst amüsanten Gscheidlesseite habe ich mich soeben redlich totgelacht und bin nun posthum dabei, meine redliche Beerdigung zu organisieren. Falls Sie und weitere redlich…