Wann haben Sie zuletzt jemanden gelobt? Machen wir das alle nicht viel zu selten? Unter Kollegen, in der Familie, besonders unter Schwaben, wo es ja genügt, nicht zu meckern. Und gemeckert wird viel lieber und viel mehr. Auch hier bei Kontext. Jetzt gibt es eine Gelegenheit, das zu ändern. Und das ausgerechnet gegenüber dem Stuttgarter Pressehaus. Ja, wenn die Redaktion von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten das verdient, erkennen auch wir das an und stehen dazu.
In der jüngsten Wochenendbeilage haben sich die Kollegen einer spannenden Persönlichkeit angenommen: Greta Thunberg. Und damit nebenbei auch eines ausgesprochen wichtigen Themas: des Klimawandels. Dabei hat die Südwestdeutsche Medienholding auch noch gezeigt, wie breit die Meinungsvielfalt ihrer Journalisten gestreut ist. Denn unter der Schlagzeile "Ein Mädchen – zwei Meinungen" durften zwei Kollegen – also eine Kollegin und ein Kollege, so viel Gender-Korrektheit muss sein – beurteilen bzw. verurteilen. In einer Gegenrede und einer Lobrede. Beide Journalisten haben pointiert Stellung bezogen und ihre Meinungen gut begründet. Schon wieder sehr lobenswert.
Der Kollege für die Lobrede hatte natürlich die einfachere Aufgabe. Schließlich setzt sich die 16-Jährige für eine gute Sache ein und hat unzweifelhaft viel bewegt. Aber er macht seine Sache gut. Er lobt, dass eine Jugendliche fordert, den Klimawandel zu bekämpfen, weil ihre Generation ausbaden muss, was Politiker und Industrielle jetzt durch Nichtstun anrichten. Dass sie geduldig über eine lange Zeit ihr Schild "Schulstreik fürs Klima" hochgehalten hat, ohne eine Ikone sein zu wollen. Und er lobt, dass sie mit ihrer Hartnäckigkeit auf die Nerven geht und wir ihr dankbar sein sollen.
Kann man dagegen etwa haben? Ja, man(n) kann. Wie beispielsweise Christian Lindner. Der FDP-Chef hat zunächst von Greta gefordert, diese wichtige Angelegenheit Profis zu überlassen. Also denen, die es eigentlich besser wissen müssten, aber nichts getan haben. Und der jetzt am vergangenen Wochenende nachgelegt hat, als er das geplante Klimapaket der Bundesregierung kritisierte: man könne nicht 2020 die Probleme von 2040 regeln. Na gut, er hätte Recht, wenn er meinte, diese Probleme hätten schon 2010 oder 2000 angegangen werden müssen. Hat er aber nicht. Ich habe seinen politischen Zielen nie etwas abgewinnen können, ihn aber für intelligent(er) gehalten. Er sollte Politik lieber Profis überlassen.
Weltuntergang? Greta ist dagegen
Und ja: Auch Frau kann etwas dagegen haben. Die Journalistin der Gegenrede warnt davor, Greta als neuen Messias und Heilsbringerin zu überhöhen. Da hat sie recht, kritisiert damit aber nicht die Protagonistin, sondern ermahnt ihre Anhänger. Was wirft sie Greta vor? Zunächst einmal pauschalen Antikapitalismus. So hatte ich das bislang noch gar nicht gesehen. Aber wenn man dauerndes Wachstum und grenzenlosen Ressourcenverbrauch für systemimmanent hält, dann stimmt das wohl. Und das darf man nicht infrage stellen? Nein, das muss man infrage stellen. Dann wirft sie Thunberg vor, die nahende Apokalypse heraufzubeschwören. Nun, die Zeugen Jehovas gehen auf die Straße, weil die Welt sowieso untergeht; Greta und die Fridays-for-Future-Bewegung gehen auf die Straße, damit die Welt nicht untergeht. Können wir uns darauf verständigen, dass dies ein gravierender Unterschied ist?
Panikmache lautet ein weiterer Vorwurf. Weil Panik doch ein schlechter Ratgeber sei. Und die Kollegin führt dazu noch ein konkretes Beispiel an. Panik habe zu Deutschlands unüberlegtem Ausstieg aus der Atomenergie geführt, und nur deshalb müssten die Kohlekraftwerke so lange am Netz bleiben. Frau Kollegin, sie mögen einen unerschütterlichen Glauben an die Ungefährlichkeit der AKWs und des (immer noch nicht sicher entsorgbaren) Atommülls haben. Ich dagegen halte Angst bisweilen für ein überlebenswichtiges Alarmsignal des Menschen, und Tschernobyl und Fukushima haben mir Angst gemacht. Und dass AKWs nicht mit allen Risiken versicherbar sind, auch. Kohlekraftwerke bleiben im Übrigen wegen der Arbeitsplätze noch am Netz.
27 Kommentare verfügbar
Katja
am 24.09.2019