KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Porsche und die NS-Zeit

"Ferdinand Porsche ist kein Vorbild"

Porsche und die NS-Zeit: "Ferdinand Porsche ist kein Vorbild"
|

Datum:

Taugt der Porsche-Firmengründer trotz seiner NS-Verstrickungen als Namenspate? Für das Ferdinand-Porsche-Gymnasium in Stuttgart-Zuffenhausen fordert eine Bürgerinitiative die Umbenennung, am Donnerstag lädt sie zu einer Veranstaltung. Mit dabei ist auch der frühere VW-Chefhistoriker Manfred Grieger, der eine klare Meinung dazu hat.

Nicht nur für viele Autofreaks und Technikbegeisterte gehört Ferdinand Porsche zu den Lichtgestalten der deutschen Ingenieursgeschichte. Er gründete das Unternehmen Porsche, das bis heute seinen Sitz in Stuttgart-Zuffenhausen hat, entwickelte unter anderem den KdF-Wagen, der nach dem zweiten Weltkrieg als VW Käfer zu einem der meistverkauften Autos der Welt wurde. Nach ihm sind in Deutschland viele Straßen und Schulen benannt, unter anderem das erst 1983 so benannte Ferdinand-Porsche-Gymnasium in Stuttgart-Zuffenhausen.

Das mythenumrankte Bild hat mittlerweile Risse bekommen. Ferdinand Porsche war zwischen 1933 und 1945 tief in die Verbrechen des Nazi-Regimes verstrickt, er galt als Lieblingsingenieur Adolf Hitlers (Kontext berichtete mehrmals, unter anderem hier und hier). Das alles ist im Grunde schon lange bekannt, allzu viel geändert an der öffentlichen Wahrnehmung hat sich dennoch nicht. Auch deshalb, weil es unter anderem vom Unternehmen selbst immer wieder Versuche gibt, Ferdinand Porsche als unpolitischen Mitläufer darzustellen, der nichts mit der Nazi-Ideologie am Hut gehabt habe, und dessen rein auf technischen Fortschritt gerichtetes Wirken auch ganz losgelöst von den NS-Verbrechen betrachtet werden könne.

Heftigen Widerstand gegen solche Darstellungen gibt es allerdings auch, besonders in Stuttgart. Im Sommer 2023 etwa rief eine Protestaktion der Bürgerinitiative Neckartor sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan: Vor der Porsche-Aktionärsversammlung hatten Aktivist:innen ein Banner ausgebreitet mit der Aufschrift: "Ferdinand Porsche, Nazi, KZ-Betreiber, Kriegsverbrecher. Noch Fragen?" (Kontext berichtete). Die Initiative setzt sich auch seit einiger Zeit für eine Umbenennung des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums in Stuttgart-Zuffenhausen ein. "Ferdinand Porsche – Not my hero" – nicht mein Held – ist ihr Slogan, und dies ist auch der Titel einer Veranstaltung, zu der die Zukunftswerkstatt Zuffenhausen am morgigen Donnerstag, den 27. März einlädt. Als Gast geladen ist mit Manfred Grieger ein Historiker, der sich der deutschen Unternehmensgeschichte im Dritten Reich exzellent auskennt – unter anderem war er bis 2016 Chefhistoriker der Volkswagen AG. Bei der Veranstaltung wird er über "Ferdinand Porsches Rolle als Parteigenosse und SS-Oberführer im NS-Terrorstaat" sprechen.

Historiker Pyta hat "viel über Genies geschrieben"

Kontext hat vorab mit Grieger gesprochen. Hält er es für angemessen, dass ein Gymnasium Porsche als Namenspaten hat? Er wolle eher versuchen, nicht mit Ja oder Nein zu antworten, sagt Grieger, "sondern zu fragen: Was sind die Kriterien, um jemanden als Namenspaten zu nehmen?"

Und hier wird es schon interessant, denn letztlich geht es um einen Deutungskampf. Über den eigentlichen Sachverhalt, Ferdinand Porsches NS-Verstrickungen, "wird heute fast gar nicht mehr gestritten", glaubt Grieger. Auch in der großen Studie des Stuttgarter Historikers Wolfram Pyta von 2017 (Kontext berichtete) werde nicht verschwiegen, dass Ferdinand Porsche Mitglied der NSDAP war, dass er den Titel eines SS-Oberführers trug, dass er für sein Werk KZ-Häftlinge angefordert hatte. Alles drin. "Aber Pyta kommt dann zu dem großen 'Aber', dass er eigentlich doch nur der unpolitische Techniker und am Ende das Genie ist." Es würden eigentlich alle Eigenerzählungen des Unternehmens und der Unternehmerfamilie bestätigt, sagt Grieger, "das ist für historische Studien schon erstaunlich, dass man gar keine Abweichung findet".

Ob die wohlwollende Wertung auch damit zu tun hat, dass Pyta für seine Recherchen von Porsche großzügig gefördert wurde – unter anderem mit einem Budget über rund 300.000 Euro und freiem Zugang zu den Firmenarchiven – und das Unternehmen danach eine Professur zu finanzieren versprochen hatte, das will Grieger nicht explizit bewerten, seine Kritik kommt eher subtil daher. Pyta sei ja "ein ausgewiesener Fachhistoriker, er hat viel über Genies geschrieben".

Was Grieger wirklich problematisch findet in Pytas Studie und der in ihr quasi reproduzierten Selbstdarstellung des Unternehmens, ist, "dass ein Abwägungsprozess stattfindet, bei dem am Ende rauskommt, dass die Rennwagenkonstruktion und die Etablierung der Sportwagenschmiede in gewisser Weise alles andere aufgehoben haben, dass Porsche ja gar kein ideologischer Antisemit gewesen sei und auch gar kein Nazi".

Grieger bewertet Porsches Rolle da ganz anders und nennt dafür mehrere zentrale Punkte: "Da ist einmal die persönliche Nutznießung: Porsche war Günstling des NS-Systems über die Entstehung des Volkswagens, in technischer Hinsicht und auch in organisatorischer, als Hauptgeschäftsführer seines Unternehmens." Er war Mitglied der NSDAP, "das war kein Verein, dem man einfach so beitreten konnte, da wurde man genau geprüft". Ferner habe er eine "informelle Beziehung" zu Adolf Hitler gepflegt, "sie haben sich beide gegenseitig in ihrer Genie-Wahrnehmung offensichtlich bestärkt, das ist ja noch eine Sondersituation", sagt Grieger. Und Porsche habe auch eine überragende Rolle im rüstungswirtschaftlichen System des Nationalsozialismus gespielt – die Firma baute unter anderem massenhaft verwendete Militär-Pkw und Panzer.

Ferdinand Porsche forderte die KZ-Häftlinge an

Damit verbunden ist ein Punkt, der für Grieger der entscheidende ist: Für das Unternehmen arbeiteten im Krieg Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. Und Ferdinand Porsche hatte diese KZ-Häftlinge persönlich rekrutiert: "Da war niemand mit einer Visitenkarte der Firma Porsche unterwegs, sondern er war persönlich bei Oswald Pohl, dem Chef des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS, und hat die Häftlinge für seine Angelegenheiten angefordert", sagt Grieger. "Und das ist ja der Kern des NS-Massenverbrechens: Die KZ-Häftlinge und die Ausbeutung von Juden."

Griegers Schlussfolgerung ist klar: "Das reicht mir, um zu sagen: Dieser Mann ist kein Vorbild. Das allein ist ein Kriterium, das eine Entscheidung nicht schwer machen würde. Was braucht es denn noch mehr?"

Dass das für Porsche und viele andere Unternehmen in Deutschland trotzdem nicht reicht, um sich umfassend von früheren Chefs und deren Handeln in der NS-Zeit zu distanzieren und diese schonungslos darzustellen, ist allerdings eine Tatsache. Und auch nach Ansätzen einer Aufarbeitung zeigen sich immer wieder Versuche, die eigene Rolle in der NS-Zeit nicht an die große Glocke zu hängen, etwa beim anderen großen Stuttgarter Autobauer (Kontext berichtete).

Grieger hat eigene Erfahrungen damit. 1998 fing er bei VW an, war dort Chefhistoriker – und schied im Oktober 2016 ziemlich plötzlich aus dem Unternehmen aus. Kurz davor, im August, hatte er eine neue Studie zu NS-Verstrickungen der VW-Tochter Audi rezensiert und sie als handwerklich mangelhaft und verharmlosend kritisiert. Das war laut dpa-Informationen Auslöser für ein internen Streit über Abstimmungsvorgaben für Griegers Arbeit, am Ende verließ der Historiker VW. In einem offenen Brief kritisierten damals zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und anderen Ländern das Unternehmen und dessen Umgang mit Grieger – ohne Erfolg.

Grieger selbst will sich über acht Jahre später nicht dazu äußern, das könne er aus grundvertraglicher Regelung mit VW auch nicht. Und so wichtig sei sein Fall auch nicht. Wichtig sei, dass Aufarbeitungsprozesse wie bei Porsche fast immer erst dann begännen, "wenn es eine kommunikative Krise gegeben hat". Was bei Porsche etwa der Aufsatz des Wirtschaftsjournalisten (und späteren Kontext-Autors) Ulrich Viehöver über den Firmengründer in Hermann G. Abmayrs 2009 erstmals erschienenem Buch "Stuttgarter NS-Täter" war: Viehöver wies darin als erster nach, dass die Nähe von Porsche zu den Nazis viel enger war, als bis dahin zugegeben. Und er wies nach, dass in dessen Werk in den letzten Kriegsjahren mehrere Hundert Zwangsarbeiter schufteten. Nichts davon war im damals noch ziemlich neuen Porsche-Museum erwähnt. Viele kritische Fragen auch ausländischer Medien, etwa der israelischen Tageszeitung "Haaretz", waren die Folge, am Ende der Aufarbeitungsversprechen stand Pytas wohlwollendes Buch.

"Wir waren schon immer gut"

Warum ist das eigentlich so, dass so viele deutsche Unternehmen ihre NS-Geschichte entweder ganz unter den Teppich kehren oder beschönigend darstellen wollen? Warum betrachten sie einen offenen Umgang mit ihrer – im Zweifel auch furchtbaren – Vergangenheit nicht als etwas Positives, als Zeichen dafür, verantwortungsbewusst und selbstkritisch sein zu können?

"Ich glaube, die meisten Unternehmen halten weiterhin die Auseinandersetzung mit einer Zeit, die üblicherweise ein dunkles Kapitel genannt wird, als eben nicht positiv abstrahlend auf sich", sagt Grieger. Eine frühere Generation von Unternehmensmanagern habe den Umgang mit der Geschichte oft im Sinne eines Kampfes kennengelernt, als es etwa um das Jahr 2000 um die Entschädigung von Zwangsarbeiter:innen ging oder um Fragen der Arisierung jüdischer Firmen. Diese Manager seien inzwischen weg, "und die Jüngeren haben das entweder nie wahrgenommen oder als längst erledigt abgelegt", glaubt Grieger. Da gäbe es einen "affirmativen Impuls": "Wir sind heute gut und waren es schon immer."

Eine Tendenz, die in Familienunternehmen besonders stark ausgeprägt sei, da gebe es die Neigung, sich in vollkommener Kontinuität mit der – natürlich positiven – Gesamtgeschichte des Unternehmens zu sehen. "Das ist wahrscheinlich ein organisationspsychologisches oder kulturelles Moment, das eine Aufarbeitung behindert", vermutet Grieger. Er selbst denke hier "genau andersrum" und findet: "Sich selbst als lernende Struktur zu zeigen, das erscheint mir viel werbewirksamer als die 5.000-fache Wiederholung von 'Wir sind die Besten'. Denn man kann doch nur an Fehlern zeigen, dass man lernt."
 

Die Veranstaltung "Ferdinand Porsche – Not my hero" findet am Donnerstag, 27. März um 18 Uhr im Bürgerhaus Rot, Auricher Straße 34, 70437 Stuttgart-Zuffenhausen statt. Neben Manfred Grieger wird Martin Geipel einen Vortrag halten: "Wie der Umbenennungsprozess am ehemaligen Peter-Petersen-Gymnasium in Mannheim gelang".

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


6 Kommentare verfügbar

  • Marcus
    am 03.04.2025
    Antworten
    in dem Zusammenhang ist auch Adolf Rosenberger zu erwähnen, der Anfangs mit im Unternehmen drin hing und dann aufgrund der Tatsache, dass er Jude war raus musste... auch das wurde von der Porsche Familie hinterher eher beschönigt dargestellt... gibt dazu (und anderen Unternehmen) auch ein gutes…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!