Als dieser Grüne an die Macht kam vor zwölf Jahren, rief der CSU-Kollege Horst Seehofer baden-württembergische Unternehmer öffentlich auf, alsbald ihre Firmen nach Bayern und damit in Sicherheit zu bringen vor dem Regime des Ex-Maoisten. Daheim war Winfried Kretschmann so manchen wiederum zu rechts, zu bürgerlich, zu fromm sogar. Aus vielen finsteren Prognosen wurde nichts: Baden-Württemberg steht noch, ziemlich solide sogar. Und einer der anerkanntesten Politiker der ganzen Republik feiert seinen Fünfundsiebzigsten noch immer als Hausherr in der Villa Reitzenstein, dem Regierungssitz.
Wann das enden soll, steht in den Sternen, auch wenn sich der Jubilar gerade wieder und immer öfter mit dem heißen Nachfolge-Favoriten Cem Özdemir zeigt. Aber erst 2026 ist wieder Landtagswahl im Südwesten, und im Extremfall hält der leidenschaftliche Wanderer ("Schon die Griechen haben dabei philosophiert") die ganze Strecke bis dahin durch. Weniger, weil er machtverliebt am Sessel klebt, wie seine Verächter:innen meinen. Sondern eher, weil Pflichtgefühl und Selbsteinschätzung ihm zuflüstern, in Zeiten wie diesen fahre das Land immer noch am besten mit ihm. Zudem hat er der Wählerschaft zigfach beteuert, er werde die volle Amtszeit absolvieren. Er müsste also einen kapitalen Schwenk vollziehen, was dem Anhänger eines "humanistischen Pragmatismus" (Kretschmann) manchmal selbst bei gewichtigen Themen durchaus nicht schwerfällt.
Beispielsweise hätte er seine Popularität nutzen können respektive sollen, um irgendwann, als die Kosten für Stuttgart 21 immer weiter kletterten, zur ursprünglichen Ablehnung zurückzukehren und doch die Bremse reinzuhauen. Nicht trotz, sondern wegen des Volksentscheids und der vielen falschen Fakten, die die Bahn und andere Unterstützer:innen dem Souverän Volk serviert hatten. Vielleicht wird sich der einstige Ethik-Lehrer irgendwann als Emeritus öffnen und das Rätsel lösen, warum ihm dazu der Mut fehlte. Oder jenes, warum er sich nicht aufraffen konnte, einen Entschädigungsfond für Opfer des Radikalenerlasses aufzulegen.
6 Kommentare verfügbar
Frieder Kohler
am 23.05.20231. "Der Wind im Land hat sich gedreht", so der Herr MP , der auch einen Windpark besichtigen kann! Ich muss daran erinnern, dass selbst Ärzte einen…