Das Motiv dicker Hals scheidet aus. Der Autor ist 1983 geboren. Also ein sogenannter Millennial, dessen Generation als "Egotaktiker" bezeichnet wurde, die sich möglichst leichtfüßig durch die Work-Life-Balance zu schaukeln versucht. Keine blutige Nase am AKW-Zaun, kein Tränengas, keine enttäuschte Liebe, kein Joschka Fischer als Streetfighter, dessen Metamorphosen ihn verstört hätten. Stattdessen Pfadfinder in Sigmaringen. Mittendrin im Dreieck Kirche-Adel-CDU und doch nicht dabei. Matthias Rude sagt, er habe "nirgendwo reingepasst".
Besser wurde es beim Studium in Tübingen. Der Sohn eines Mathelehrers wählte Philosophie und vergleichende Religionswissenschaft, traf dort auf Ordinarius Günter Kehrer, einen Marxisten und Atheisten, und schloss sich der Linksjugend an. Dass er auf diesem Weg später mit Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) aneinandergeraten sollte, hatte eine gewisse Zwangsläufigkeit, der frühe Abschied von einer Karriere im bürgerlichen Sinn auch. Sein Brot verdient er als Social-Media-Redakteur bei einer Lebensmittelfirma, natürlich Bio, sein Herz hängt an Texten für das Magazin für Gegenkultur "Melodie & Rhythmus", die "Junge Welt", das "Neue Deutschland", am Schmetterling-Verlag und jetzt an dem Buch "Die Grünen – Von der Protestpartei zum Kriegsakteur".
Es kommt zur rechten Zeit. Kein Tag vergeht, an dem grüne Granden nicht nach Waffen für die Ukraine rufen. Lauter noch als Frau Strack-Zimmermann von der FDP. Baerbock, Habeck, Hofreiter kann es nicht schnell genug gehen mit den Panzern. Verwundert reibt sich der Mensch, der noch weiß, wer Petra Kelly war, vielleicht sogar in Mutlangen gegen Pershing-II-Raketen demonstriert hat, die Augen und fragt sich, was hier passiert ist? Ausgerechnet die Grünen, die Partei der Friedensbewegung, die betont, ihre Wurzeln lägen im Pazifismus. Wenn es passt.
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Martin Häring
am 06.02.2023