Konservative, linksliberale, christliche und jüdische Reformer standen am Beginn des modernen Genossenschaftswesens, das sich, auch von England ausgehend, immer weiter ausbreitete. Grundlage des Genossenschaftsrechts ist bis heute das von Schulze-Delitzsch ausgearbeitete Gesetz, das in Preußen 1868 in Kraft trat. Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von Personen, die gemeinsam wirtschaftliche Aktivitäten betreiben. Sie verfolgt bestimmte, in einer Satzung festgehaltene Ziele und muss sich einer jährlichen Prüfung durch einen Genossenschaftsverband unterziehen. Die Mitglieder sind Anteilseigner und stimmberechtigte Mitglieder, je nachdem aber zugleich Nutzer, Lieferant oder Mieter.
Aus den Kreditvereinen gingen die Genossenschaftsbanken hervor, aus Raiffeisens Bemühungen, die Not der Landbevölkerung zu lindern, die landwirtschaftlichen Genossenschaften. Schulze-Delitzschs Schuster- und Tischlerassoziationen, die den Handwerkern ermöglichten, durch gemeinsamen Einkauf und Vertrieb mit der Industrie Schritt zu halten, wurden zum Vorbild für die gewerblichen Genossenschaften. Aus einer von Pfeiffer einberufenen Versammlung ging der Verband deutscher Consumvereine hervor.
Von der Wohltätigkeit zur Arbeiterselbsthilfe
Waren die Wohnungsbaugenossenschaften anfangs von wohltätigen Bürgern ins Leben gerufen worden, so griffen Arbeiter später zunehmend zur Selbsthilfe. Als Daimler-Arbeiter 1911 die Baugenossenschaft Luginsland gründeten, stießen sie allerdings auf große Schwierigkeiten, bezahlbares Bauland zu finden und blieben auf finanzielle Unterstützung des Unternehmens angewiesen. 1918 gab es in Deutschland 1800 Wohnbaugenossenschaften. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Zahl auf 4000.
Die krisengeschüttelte Weimarer Republik war die große Stunde der Genossenschaften. Die Konsumgenossenschaften schlossen sich gegen die Attacken des Einzelhandels zu Verbänden zusammen und wurden immer stärker. Dies war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, die sie "bis aufs Messer" bekämpften, wie der nationalsozialistische Wirtschaftsminister Thüringens, Willy Marschler, bereits 1932 verkündete. Bis zum Kriegsende hatten die Nazis ihr Werk vollbracht: Die Konsumgenossenschaften waren zerschlagen – und gründeten sich neu.
Zunehmend unter dem einheitlichen Markennamen Konsum betrieben sie 1960 mehr als 9600 "Verteilungsstellen". Was Repression nicht geschafft hatte, kam mit dem Wohlstand: Die Mitgliederzahlen gingen zurück und damit das Kapital. 1969 zu Coop umfirmiert, wandelten sie sich in Aktiengesellschaften um, die jedoch gegen die Konkurrenz nicht mehr ankamen. Doch auch Rewe und Edeka, die heute größten Lebensmittelhändler, sind aus Genossenschaften hervorgegangen. Edeka, 1898 in Berlin gegründet, schrieb sich anfangs E.d.K. – Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler. Rewe hat 1927 in Köln und nach dem Zweiten Weltkrieg erneut ganz klein angefangen. Die Genossen sind in beiden Fällen die selbständigen Betreiber der Lebensmittelmärkte.
1 Kommentar verfügbar
Jörg Tauss
am 01.04.2018Übrigens: Als ich das vor Jahren, noch als Generalsekretär der SPD BaWü, mal mit einem…