Zarte Hoffnungen gab es, wenn überhaupt, nur eine Nacht lang. Gleich am Morgen nach der abendlichen S-21-Sonderveranstaltung am 24. Oktober stellte die Stuttgarter IHK klipp und klar fest: "Die Entscheidung der Vollversammlung, sich positiv zu dem Gesamtprojekt zu bekennen, besteht", so Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. Mit Verwunderung habe die IHK zur Kenntnis genommen, dass mit Hinweis auf die abendliche Veranstaltung "gegenüber Politik und öffentlicher Verwaltung" über einen Haltungswechsel zu Stuttgart 21 spekuliert worden sei. Die Fahnen der IHK wehen also weiter für das umstrittene Bahnhofsprojekt. Aus der Traum.
Klaus Steinke ist Unternehmensberater, S-21-Gegner und sitzt seit vier Jahren für die IHK-Rebellen Kaktus in der Vollversammlung des Unternehmerklubs. Ein Träumer ist er nicht, eher ein beharrlicher Kämpfer, der den Glauben an die Kraft der Argumente noch nicht verloren hat. Als "Wutunternehmer", wie der damalige IHK-Präsident Herbert Müller nach dem überraschenden Wahlerfolg der Kakteen 2012 zu Protokoll gab, sieht er sich nicht. Immer wieder hat Steinke dafür gestritten, dass in der IHK nicht nur die Bahn und die Befürworter von Stuttgart 21 zu Wort kommen. Antrag für Antrag hat er gestellt, nicht lockergelassen, sich festgebissen.
Die nicht öffentliche Runde ("Stuttgart 21 – Der Umstieg: Utopie oder sinnvoll machbar?") ist auch dieser Unverdrossenheit zu verdanken. Darauf ist Steinke ein bisschen stolz. "Meine Motivation, nicht lockerzulassen, ist gewachsen", sagt er am Tag danach. Manche Unternehmer, so seine Einschätzung, hätten begriffen, dass das keine Wutunternehmer in ihren Reihen seien, sondern dass bei den S-21-Gegnern eine große Bearbeitungstiefe da sei. 70 Interessierte hätten sich angemeldet, gekommen seien zwar nur etwa 40, aber als Experte Christoph Engelhardt vorgerechnet habe, dass der neue Bahnhof im Vergleich zum bestehenden nur 70 Prozent der Leistung bringe, sei es still geworden im Raum.
Who's who der S-21-Gegner auf IHK-Veranstaltung
Nun hat sicher niemand erwartet, dass die IHK Stuttgart über Nacht plötzlich zur Speerspitze des Widerstands mutieren würde. Auch dann nicht, wenn mit dem Physiker Christoph Engelhardt, dem Informatiker Wolfgang Hesse, dem Ingenieur Klaus Gebhard und dem Bonatz-Enkel Peter Dübbers die geballte Kompetenz der Bahnhofsgegner den Abend bestritt. Schließlich gilt das IHK-Weinberghäusle als Tatort für das Bahnhofsprojekt. Dort soll S 21 einst bei einem Gläschen Wein ausbaldowert worden sein, bei einem sogenannten Gedankenaustausch zwischen Politik, Wirtschaft und Medien. So nennt man intern diese Treffen, zu denen die IHK gedankenschwere Entscheider einlädt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, versteht sich, damit man ungestört plaudern kann.
Welchen Segen sie von dem tiefergelegten Bahnhof erwartet, hat sich die IHK einst sogar auf die Fahnen geschrieben. Die wehten vor dem Geschäftsgebäude, bis ein richterlicher Beschluss der plakativen Unterstützung 2011 ein Ende machte: "S 21 – mehr Jobs, mehr Tempo, mehr Stadt." Und das klingt heute eher wie Hohn, angesichts des derzeitigen Verkehrschaos in der Hauptstadt des Feinstaubs und der Auto-Staus.
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Schwabe
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