Selbst der Abschied vom bestehenden Bahnhofsgebäude dürfte den Altonaern nicht schwer fallen, falls ein Abbruch beschlossen würde: Es ist ein unansehnlicher Betonklotz, der 1979 in Betrieb genommen wurde. Das alte Bahnhofsgebäude, ein gründerzeitliches Wahrzeichen der Hansestadt, war zuvor mit der fadenscheinigen Begründung, es könne den Erschütterungen beim Bau eines S-Bahn-Tunnels nicht standhalten, trotz massiven öffentlichen Widerspruchs abgerissen worden.
Kritik am Altonaer Bahnhofsprojekt entzündet sich unter anderem daran, dass die Stadt Hamburg die Flächen des bestehenden Bahnhofs im kommenden Jahr für 38,8 Millionen Euro von der Deutschen Bahn AG erwerben – und ihr die Infrastruktur bis zur Verlagerung des Fernbahnhofs überlassen will. Der ehemalige Bahnmanager Eberhard Happe erläutert den Deal:
Herr Happe, schaut man nach Hamburg, sieht man Stuttgart 21 . . .
Bereits dieses Vorkasseprinzip ähnelt dem von Stuttgart 21: Die DB AG kassiert das Geld und nutzt das Gelände fünf oder sieben Jahre weiter. Womit sich der Betrag verzinst. Als das Projekt Altona/Diebsteich vorgestellt wurde, hieß es: Die Grundstückserlöse würden die Kosten des neuen Bahnhofs in Diebsteich finanzieren. Dann entdeckte die DB in Altona eine massive Bodenkontamination. Das heißt: geringerer Verkaufserlös. Jetzt sagt die Bahn: "Wir suchen ein neues Finanzierungsmodell." Das heißt dann wohl, dass die Hamburger Bevölkerung nochmals kräftig zuzahlen muss. Die Kosten für die Verlegung wurden einmal auf 300 Millionen Euro geschätzt. Das alte Finanzierungsmodell – Gelände finanziert Neubau – und das neue ("Mehrkosten zahlt Steuerzahler") ist exakt das Modell S 21.
Warum zahlt der Steuerzahler überhaupt für Bahngelände?
Der größte Teil der Grundstücke, die sich heute im Eigentum der Deutschen Bahn AG befinden, kamen zu den Eisenbahnen in Form von Geschenken von Kommunen. Immer war die Voraussetzung für die wertvollen Geschenke, dass die Eisenbahn dieses Gelände für immer und ewig nutzen würde, um auf demselben Eisenbahnverkehr stattfinden zu lassen. Es gab damals ja auch nicht den mindesten Anlass zur Vermutung, solches Gelände könnte einmal wieder durch die Bahn verkauft werden.
Das gilt auch für Hamburg?
In den 1840er-Jahren wurde auf Betreiben von Kaufleuten aus Altona und Kiel die Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft gegründet. Allerdings war Altona damals dänisch; die Stadt kam erst als Resultat des deutsch-dänischen Kriegs 1864 zu Preußen. Auf diese Weise wechselte auch der Hauptbahnhof Altona zur Königlich-Preußischen Eisenbahn-Verwaltung, deren Rechtsnachfolgerin die Deutsche Bahn AG ist. Damit erhielt die Bahn dieses Gelände auf alle Fälle geschenkt. Solange die Bahn in uneingeschränktem Sinn ein öffentliches Unternehmen war, konnte man den Verkauf von Bahngelände mit Zugewinnen des Staates gleichsetzen. Doch die im Januar 1994 gegründete Deutsche Bahn AG ist formell eine privatisierte Bahn.
Und das heißt?
Da stellt sich die Frage völlig anders. Es war interessanterweise der ehemalige Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), der am Beispiel des Hannover'schen Bahnhofs in Hamburg deutlich machte, dass dieses Gelände vor einem Jahrhundert der Bahn geschenkt und in den Kaufverträgen sogar festgehalten worden war, dass die Bahn diese Grundstücke der Hansestadt Hamburg dann ohne Entschädigung zurückgeben muss, wenn auf dem Gelände kein Eisenbahnbetrieb mehr stattfindet. Dennoch scheint Hamburg der Deutschen Bahn eine hohe Summe für den Rückerwerb des Geländes gezahlt zu haben.
Als vor knapp zehn Jahren Leslie Franke und Herdolor Lorenz mit den Arbeiten am Film "Bahn unterm Hammer" begannen, wollten sie Herrn Voscherau gewinnen, vor der Kamera eine entsprechende Aussage zum Thema Bahngelände und Eisenbahngeschichte zu machen. Voscherau lehnte leider ab. Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass damals der Bruder von Henning Voscherau, der BASF-Topmanager Eggert Voscherau, zugleich Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG war. Doch zurück zu Altona und Diebsteich: Die DB AG betont, dass der neue Durchgangsbahnhof in Altona eine höhere Effizienz habe als der Altonaer Kopfbahnhof.
6 Kommentare verfügbar
Liane
am 23.08.2014Wo ist da die Finanz-aufsicht, wo die Rechnungshöfe? wo Polizei udn Justiz wegen Diebstahl?
Geschenk was dann wieder zurückgekauft werden MUSS?