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Ausstellung "Hope in Darkness"

Widerstand in Malerei

Ausstellung "Hope in Darkness": Widerstand in Malerei
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Das Taliban-Regime tilgt Frauen aus der afghanischen Öffentlichkeit. Mädchen dürfen nicht mehr zur Schule, Frauen müssen Burka tragen, Reisen sind eingeschränkt. Eine Gruppe junger Afghaninnen leistet mutig Widerstand und malt im Verborgenen verbotene Bilder. Die sind nun in Stuttgart zu sehen.

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Nach ihrer zweiten Machtübernahme 2021 schlossen die Taliban in Afghanistan Schulen und Universitäten für Mädchen und Frauen. Sie entließen sie aus staatlichen und privaten Einrichtungen. Öffentliche Verkehrsmittel stehen Frauen kaum noch zur Verfügung, Reisen sind für Frauen stark eingeschränkt, ohne einen Mann dürfen sie die Wohnungen und Häuser nicht verlassen. Restaurants oder Parks sind für Frauen nicht mehr zugänglich, das hörbare Sprechen in der Öffentlichkeit steht für Frauen unter Strafe, das sei Sünde, berichtete Human Rights Watch im vergangenen Jahr. Nawroz, das Neujahrsfest, ist für Frauen verboten, ebenso Sport, Theater, die meisten Berufe, sie dürfen keine Geschäfte führen, keinen Handel treiben, nicht in Fitnessstudios. Fenster, hinter denen sich Frauen aufhalten, müssen zugehängt werden. Männer, die all das in ihren Familien nicht genügend umsetzen, bestrafen die Taliban, wer nicht mit dem Regime kooperiert, wird verfolgt.

Unter der Taliban-Herrschaft ist es Frauen auch verboten, kritische oder emotionale Bilder zu malen. Die Gemälde, die nun im Stuttgarter Rathaus zu sehen sind, entstanden heimlich und gelangten über private Netzwerke in den Iran, von dort wurden sie 2024 nach Deutschland geschickt. Seitdem reist die Ausstellung durchs Land, organisiert vom Osnabrücker Verein Fida zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Terre des Hommes. Noch bis 10. November ist sie in Stuttgart zu sehen. Es sind Bilder, die an der Seele rühren. Sie erzählen von verlorenen Träumen, von Gewalt und Gefangenschaft, aber auch der Hoffnung auf ein freies Leben. "Diese Ausstellung ist für mich nicht nur Kunst. Sie ist Widerstand. Sie ist ein Schrei nach Freiheit", sagte die junge Afghanin Mahdie von Terre des Hommes bei der Vernissage der "Hope in Darkness"-Ausstellung in Würselen bei Aachen.

"Die Taliban nehmen sich die Schwächsten"

Die internationale Gemeinschaft bleibt angesichts der nahezu vollständigen Unterdrückung und der Tilgung von Frauen aus dem öffentlichen Leben stumm. Dabei sind nicht nur Frauen betroffen. Kinderarbeit hat in Afghanistan massiv zugenommen, berichtet Terre des Hommes in einem Bericht, der die Fluchtgründe afghanischer Kinder untersucht hat. Mädchen werden zwangsverheiratet, Buben als Kindersoldaten rekrutiert oder ebenfalls sexuell ausgebeutet. "Die Taliban nehmen sich die Schwächsten. Kinder ohne Schutz. Sie missbrauchen sie. Sie machen sie kaputt. Es ist der reinste Horror", berichtet Najib, der als Minderjähriger nach Deutschland geflohen ist, in der Broschüre. Die 19-jährige Chakawak erzählt: "Die meisten meiner Freundinnen wurden gezwungen, zu heiraten. Sie haben nichts mehr. Keine Rechte, kein Leben. Immer häufiger höre ich von Suiziden."

Und obwohl die Menschenrechtsverletzungen täglich zunehmen, werden immer mehr geflüchtete Menschen wieder nach Afghanistan zurückgeschoben. Aus dem Iran und Pakistan, den Hauptzielen afghanischer Flüchtender, auch aus der Türkei. Für Deutschland verhandelt Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) derzeit mit den Taliban, den Tätern, den brutalen Unterdrückern von Frauen und Kindern, um Abschiebungen per Linienflug möglich zu machen. Für Dobrindt sind das "technische Kontakte", zitiert ihn die "Tagesschau".

Hoffnung in der Dunkelheit

Wenn demokratische Parteien Menschenrechten den Rücken kehren, bleibt nur die Zivilgesellschaft. Eines ihrer Projekte ist "Hope in Darkness" des Vereins Fida in Osnabrück, gegründet von afghanischen Frauen im Exil. Das Team besteht aus acht Afghaninnen und zwei deutschen Unterstützerinnen, arbeitet in Deutschland und Afghanistan daran, die abgeschotteten Frauen mit der Welt zu verbinden und sie in dunklen Zeiten trotzdem sichtbar zu machen. Sie sind wie ein Hilferuf, ein Aufruf zur Zusammenarbeit und Unterstützung, damit diejenigen Stimmen gehört werden, die an den Rand gedrängt sind.

Um Künstlerinnen vor Ort zu unterstützen, hat "Hope in Darkness" eine Mailplattform geschaffen: Nachrichten werden gesammelt, übersetzt und auf versteckten Wegen an die Künstlerinnen weitergeleitet.


Bis 24. Oktober ist die Ausstellung noch im Stuttgarter Rathaus zu sehen, ab 27. Oktober dann in den Stadtteilbüchereien Stuttgart-Degerloch, -Zuffenhausen und -Feuerbach. Weitere Termine hier.

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