Diana hackt auf den Tasten herum, das gleichmäßige Klackern hallt durch den kleinen Redaktionsraum. Kaffee, ein gemischter Salat und für Außenstehende kryptische Aufschriebe im Notizblock zieren Dianas Arbeitsplatz. Draußen verknäulen sich die schiefen Töne der Orgelspieler:innen mit dem Lärm von Autos, Bussen und Dialogen. Mit Mühe hält sie die Augen offen. Seit fünf Uhr morgens ist Diana auf den Beinen. Sie wird heute drei Berichte schreiben, herumtelefonieren, den Präsidenten sehen – ganz normaler Journalist:innenalltag eben. Diana Hernández Gómez ist 28 und arbeitet bei "Cimacnoticias" in Mexiko-Stadt, einer feministischen Nachrichtenplattform. Die Redakteurinnen sind Pionierinnen des medialen Frauenkampfs.
Chefin vom Dienst Lizbeth Ortiz Acevedo fragt nach einer Weile beiläufig: "Und, wie war's?" Diana winkt ab. Es muss nichts weiter kommentiert werden, jeder hat bereits die Meldungen gelesen, die Videoausschnitte gesehen: An diesem internationalen Frauentag waren die Frauen kaum präsent im Regierungsdiskurs. Trotz steigender Zahl an Femiziden und Budgetkürzungen des Staates für Hilfsinitiativen "gratulierte" der Staatschef den Frauen. Die Journalistinnen brauchen keine Glückwünsche, keinen rosa Pappbecher von Starbucks. In der "Cimac"-Redaktion ist an jedem Tag Frauentag.
Handzeichen für die Lieblingsmedien des Präsidenten
Anders sieht es beim mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) aus. Bei den mañaneras, wie seine allmorgendlichen Pressekonferenzen genannt werden, dreht sich alles um ihn: seine Regierung, seine Erfolge, seine Projekte. Die Fragen, die Diana vorbereitet hatte, konnte sie nicht stellen, andere Kolleg:innen kamen vor ihr dran, dann brach der Präsident die Konferenz ab. Es war Dianas zweiter Besuch bei einer dieser mañaneras. Anfangs nahmen Medien und Zivilgesellschaft den Vorstoß positiv wahr. Endlich erschien es möglich, unbequeme Fragen an das Staatsoberhaupt zu stellen. Doch schnell verwandelten sich die Konferenzen in eine Bühne von "Hetzkampagnen gegen Journalisten", so "Cimac"-Chefin Lucía Lagunes Huerta. Präsident López Obrador wettert regelmäßig gegen Medienschaffende, die seiner Auffassung nach unwahr berichten würden; also Medien, die kritisch über die Regierung berichten.
"Präsident AMLO 'feiert' den 8. März mit Attacken gegen Journalistinnen", lautet Dianas Überschriftenentwurf, den sie später noch ändern wird. An der Wand über dem Holztisch hängt ein handbemalter Mini-Kalender mit Terminen für die präsidentiellen Pressekonferenzen. Nachwuchsreporterin Diana kann sich ein Lachen nicht verkneifen, bevor sie erklärt, wie man als Medium zum Mandatsträger vordringen kann. Nach einer generellen Akkreditierung zu Beginn eines jeden Jahres weist die zuständige Kommunikationsabteilung der Regierung den Journalist:innen pro Trimester einfach willkürlich Termine zu. "Selbst aussuchen geht nicht", grinst Diana kopfschüttelnd. Lieblingsmedien von López Obrador sieht man häufiger. "Cimac" darf rund zwei bis drei Mal im Monat kommen – bei fünf Konferenzen pro Woche, wohlgemerkt.
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Frank
am 15.03.2023