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 Fotos: Joachim E. Röttgers 

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Scratch! Freeze! Ouuuuhhh!!! Kinnladen klappen herunter und die Crowd kreischt verzückt. Breakdance ist Hype und das Schwabenland eine Hochburg. Die Stuttgarter Tru Cru, Deutschlands beste Crew, feierte am Wochenende ihr zehnjähriges Jubiläum.

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"In den Battles fetzen wir uns heftig", erzählt Terence Russ, in der Szene bekannt als Terence Ill. "Aber danach ist das One Love. One Unity." Rivalitäten werden auf der Stage ausgetanzt. Engagiert, leidenschaftlich, mit vollem Einsatz. "Da willst du gewinnen, klar". Später dann aber bloß kein Stress, zusammen chillen, ein paar Bierchen trinken.

Breakdancen, das ist für den 26-Jährigen mehr als nur Tanz. "Das ist die Community, das Umfeld. Ein Lifestyle", sagt Terence. Es beeinflusse nicht nur, wie man sich bewegt, sondern auch, wie man aussieht und redet. Unverkrampft, dynamisch: "Am Anfang lernst du ein paar Basisschritte, die musst du einfach drauf haben." Aber eigentlich gehe es beim Breaken darum, seine Persönlichkeit auszuleben, einen eigenen Stil zu finden.

Also sind die Variationen der Motive entscheidend. "Ohne Signature-Move brauchst du gar nicht erst bei 'ner Competition auflaufen", erläutert der Experte. Denn B-Boys – so der Terminus für Tanzende aller Altersklassen – gebe es wie Sand am Meer (B-Girls gibt es ebenfalls, aber deutlich weniger). "Wer in der Szene herausragen will, muss sich was einfallen lassen, Bewegungsabläufen 'ne persönliche Note verleihen." Seit fast drei Jahren unterrichtet Terence an der Stuttgarter Jakobschule, einem sogenannten Brennpunkt. Ehrenamtlich. "Das erreicht die Kids", sagt er. Bei vielen kommen Hip-Hop und krasse Moves besser an als Pädagogik nach Lehrbuch.

Er selbst ist jetzt ein gutes Jahrzehnt dabei. 2007 hat Terence zusammen mit den Kollegen Bad Mike, Abuk und Mercedes-Jenz die Tru Cru gegründet. Heute gilt das inzwischen 15-köpfige Kollektiv als beste Breakdance-Gruppe in Deutschland, steht in den offiziellen Bboyrankingz (sic!) auf Platz eins. "Trotzdem können wir nicht sagen, dass wir wirklich erfolgreich sind", findet Terence. Den Lebensunterhalt könne man jedenfalls nicht von den Preisgeldern allein stemmen. "Seit etwa drei Jahren können wir aber die Kosten für Reise und Unterkunft decken", erzählt er. Früher habe man immer mal wieder auf oder in Banken übernachten müssen.

Doch allmählich wird die Subkultur mainstreamtauglicher, auch finanzstarke Sponsoren zeigen sich zunehmend interessiert. Die Events werden größer, spektakulärer. Auch in Stuttgart, wo die Tru Cru vergangenes Wochenende ihr zehnjähriges Jubiläum feierte. 68 Crews waren am Start, aus aller Welt kamen Gäste, unter anderem aus Frankreich, Brasilien und Mexiko. "Breaken ist international, schon immer gewesen", sagt Terence. Das Motto seiner Crew: "Poetry in Motion", Poesie in Bewegung. Und tatsächlich sind die Parallelen zur klassischen Literatur verblüffend. Wie jedes gelungene Drama hat eine gute Breakdance-Performance eine Exposition, einen klimatischen Spannungsbogen und einen akzentuierten Höhepunkt. Oder, um es in den Worten der Szene zu sagen: Ganz schön krasser Scheiß ist das.


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